Bildung für nachhaltige Entwicklung in NRW
"Wie unser Handeln die Welt verändert" - Interview mit der NABU-Expertin Dr. Jacinta Kellermann
Artensterben, Klimakrise, Hunger und Armut – die globalen Herausforderungen sind immens. Kann BNE hier wirklich ein Teil der Lösung sein?
Kellermann: Da bin ich mir sicher. In vielen Bereichen wissen wir ja eigentlich ziemlich genau, was wir alle tun sollten, um Natur und Umwelt zu schonen und die großen Krisen zumindest abzuschwächen. Die Frage ist: Wie kriegen wir die Menschen – und uns selbst – dazu, entsprechend zu handeln?
Und die Antwort auf diese Frage ist BNE?
BNE weitet den Blick und bezieht viele Dimensionen mit ein. Im Fokus steht die Frage, was unser Handeln mit der Welt macht – in ökologischer, sozialer, ökonomischer und politischer Hinsicht. Welche Wirkungen gibt es lokal und global? Und wie können wir durch unser tägliches Handeln Einfluss nehmen? Wenn wir wissen, wie unser Handeln wirkt, können wir das in unsere freie Entscheidung einbeziehen.
Können Sie drei Bespiele nennen, wie man Themen BNE-gerecht aufarbeitet?
Ja, sicher. Das BNE Regionalzentrum im Haus Heidhorn beim NABU Münsterland geht gemeinsam mit Grundschulkindern der Frage nach, ob Bäume atmen. Dabei wird klar, was der Wald mit dem Klima und mit ihrem eigenen Leben zu tun hat. Das NABU-BNE-Team im Prinzenpalais Bad Lippspringe beschäftigt sich mit nachhaltiger Kleidung. Vom Anbau der Baumwolle über die Arbeitsbedingungen in den Nähereien Südostasiens bis zur globalen Textilkette. Was ist der Unterschied zwischen konventioneller und fairer Öko-Baumwolle und wie kann ich das erkennen? Und ein drittes Beispiel: Das Moorhus beim NABU am Großen Torfmoor in Minden Lübecke geht dem „Mysterium der Shampooflasche“ auf den Grund – und damit dem Müll- und Plastikproblem. Da sind wir ganz schnell bei handlungsorientierten Fragen: Wie handle ich möglichst nachhaltig und trage dazu bei, die Welt auch für zukünftige Generationen als lebenswerten Ort zu erhalten?
BNE ist also nicht die neue, bessere Umweltbildung?
Nein, beides hat seinen Stellenwert. BNE soll die Umweltbildung nicht ablösen, sondern ergänzen. Naturkunde und die Menschen für die Natur zu begeistern, bleibt auch zukünftig wichtig. Das wird immer ein wichtiger Teil der NABU-DNA sein.
Stehen NABU und NAJU beim Thema BNE noch ganz am Anfang?
Nein, hier bei uns in NRW passiert schon eine ganze Menge. Aber die Entwicklung ist natürlich heterogen. Viele Gliederungen hatten noch keine Berührung mit BNE. Andere sind bereits auf einem sehr hohen Niveau aktiv. Der NABU hat in NRW beispielsweise fünf vom Land geförderte BNE-Regionalzentren. Kein anderer Träger hat so viele. Diese Zentren machen eine hervorragende Arbeit. Da können wir durchaus auch stolz sein auf unseren NABU.
Auf den ersten Blick mögen manche NABU-Aktive denken: Neben all unseren anderen Aufgaben sollen wir jetzt auch noch BNE machen? Wo liegen dabei die Chancen für den NABU?
BNE wird zukünftig verpflichtendes Element aller schulischen Lehrpläne sein. Der NABU hat die Chance, mit eigenen Angeboten dazu beizutragen und den steigenden Bedarf zu decken. Wir können auf diesem Wege viele Menschen erreichen und auch für unsere Naturschutzarbeit begeistern – von Kindern und Jugendlichen in der außerschulischen Bildung bis zu Multiplikator*innen in Schulen und Kitas.
BNE lohnt sich also – für den Verband und für die Sache?
Auf jeden Fall! Mit Bildung für nachhaltige Entwicklung befähigen wir Menschen aller Altersgruppen und jeder Herkunft, ihre Entscheidungen für ihr Leben verantwortungsvoll zu treffen. Und das ist in meinen Augen die Voraussetzung dafür, dass wir als Gesellschaft die großen Herausforderungen meistern können. Das wird nur funktionieren, wenn viele Menschen verantwortungsvoll handeln. Und deshalb ist BNE auch nicht nur ein Angebot für Kinder und Jugendliche, sondern für alle. Auch für die 38-jährige Ingenieurin und den 78-jährigen Rentner.
Jacinta Kellermann hat von Oktober 2019 bis August 2022 den NABU NRW im Themenfeld BNE und Nachhaltige Entwicklung unterstützt. Die inzwischen allesamt BNE-zertifizierten BNE-Regionalzentren sowie eine Reihe weiterer Umweltbildungseinrichtungen des NABU NRW arbeiten gut vernetzt weiter an diesem zukunftsweisenden Themenfeld.
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Zum Schutz der Natur verfügt NRW über ein europaweit einzigartiges, fast flächendeckendes Netzwerk von 40 Biologischen Stationen. Der NABU NRW ist mit fünf Naturschutzstationen daran beteiligt. Vier Umweltbildungseinrichtungen in NABU-Hand kommen hinzu. Mehr →