Kuckuckslichtnelken - Foto: Dietrich Cerff
Die Feuchtwiesen der Hetter
Erfolgreicher Schutz einer einmaligen Kulturlandschaft am Unteren Niederrhein
Seit Anfang der achtziger Jahre engagiert sich der NABU für den Schutz der "Hetter". Es handelt sich um ehemalige Flussschlingen des Rheins, die vor 2.000 Jahren verlandeten und heute ausgedehnte Feuchtwiesen beherbergen. Landwehre begrenzen das Gebiet zu den Niederlanden. Als überregional bedeutsames Feuchtwiesengebiet beheimatet es zahlreiche bedrohte Wat- und Wiesenvogelarten, selten gewordene Pflanzengesellschaften und stellt ein ideales Rast- und Überwinterungsgebiet beispielsweise für Kiebitze und Wildgänse dar.
Im Jahre 1992 erfolgte die Ausweisung als Naturschutzgebiet (NSG) "Hetter - Millinger Bruch". Ein Jahr später beauftragte der Kreis Kleve die NABU-NATURSCHUTZSTATION für fünf Jahre mit der Betreuung des ca. 650 ha großen NSG, so dass systematische Bestandsaufnahmen der Tier- und Pflanzenwelt durchgeführt und erste konkrete Naturschutzmaßnahmen eingeleitet werden konnten.
Parallel dazu startete die Partnerin des NABU-Landesverbandes NRW - die NORDRHEIN-WESTFALEN-STIFTUNG NATURSCHUTZ, HEIMAT- UND KULTURPFLEGE (NRW-STIFTUNG) - eine ganz besondere Aktion für die "Hetter". Sie gewann den Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch als Paten für das Naturschutzgebiet. Hüsch warb bei zahlreichen Veranstaltungen für sein Patenkind und schrieb ein Matinee-Programm für die "Hetter", das mehrfach erfolgreich aufgeführt wurde. So konnten dank Benefizveranstaltungen und Spenden die wertvollsten Flächen von der NRW-Stiftung und vom NABU angekauft und extensiv bewirtschaftet werden. Außerdem wurden neue Blänken angelegt , die heute beliebter Brutplatz von Rohrammern, Teichrohrsängern und Löffelenten sowie Laichgewässer für Amphibien sind. Und schließlich wurde eine große Aussichtskanzel errichtet, die hervorragende Beobachtungsmöglichkeiten bietet.
Ohne Kooperation mit den Landwirten geht nichts
Wichtigste Kooperationspartner für den Schutz und die Optimierung der Flächen sind die Bewirtschafter dieser Flächen. Daher werden Beobachtungsergebnisse, geplante Naturschutzmaßnahmen und Bewirtschaftungsprobleme mit den Landwirten besprochen. Viele Landwirte haben Bewirtschaftungsverträge mit Naturschutzauflagen zur Sicherung der Wiesenvogelbruten abgeschlossen.
Seit Mai 2000 betreut die NABU-Naturschutzstation im Auftrag des Landes NRW die wertvollsten Flächen im Naturschutzgebiet, die sich im Eigentum der NRW-STIFTUNG, des NABU bzw. des LANDES NRW befinden. Seit Januar 2002 werden endlich auch wieder die Privatflächen naturschutzfachlich betreut, und zwar in Zusammenarbeit von der NABU-Naturschutzstation und dem Naturschutzzentrum im Kreis Kleve.
Eldorado für Wiesenvögel
Bei einem Blick über die weite, baum- und strauchlose Wiesenniederung lässt sich die Eignung als Lebensraum für Wiesenvögel schnell erahnen. Noch bis Ende Mai haben tieferliegende Wiesenbereiche "nasse Füße", steht das Wasser knöcheltief in Bodensenken. Wer im Frühjahr in der "Hetter" unterwegs ist, erlebt die Luft über sich erfüllt von weit klingenden Balzrufen der Uferschnepfen, Kiebitze und Rotschenkel. Kleinräumig betrachtet zeigt sich ein ebenso spannendes Bild: Von wassergefüllten Blänken über Schlammfluren, Kleinseggenrasen, gelbgesprenkelten Sumpfdotterblumenwiesen und Brennhahnenfußnassweiden bis hin zu den hüfthohen Großseggenbeständen erstreckt sich das Spektrum der Vegetation.
Bilanz der Naturschutzbemühungen lässt sich sehen!
Das Ziel, durch Ankauf von Flächen einen effektiven Naturschutz zu praktizieren und damit den Rückgang von bedrohten Wiesenvögeln und Pflanzen zu stoppen, ist gelungen. So war der Bestand der bundesweit stark gefährdeten Uferschnepfe bis 1998 in der gesamten "Hetter" auf 28 Brutpaare geschrumpft. Im Jahr 2001 konnten allein auf den Flächen der NRW-Stiftung 25 Uferschnepfenreviere ermittelt werden. Ob sich allerdings die Uferschnepfen lediglich von den umliegenden Flächen auf die Kernflächen des Gebietes zurückgezogen haben, muss in den nächsten Jahren erforscht werden. Ebenso erfreulich ist die Stabilisierung des Rotschenkelbestandes auf den Stiftungsflächen auf derzeit 6-8 Brutpaare.
Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen erfolgreich
Von besonderer Bedeutung in der "Hetter" sind die Sumpfdotterblumenwiesen, hinsichtlich ihres Artenreichtums und ihrer Flächengröße einmalig am gesamten Niederrhein. Daneben profitieren auch die Brennhahnenfußnassweiden von der extensiven Bewirtschaftung auf den angekauften Flächen. Die Vegetationsuntersuchungen zeigen: die Artenzahl auf den extensivierten Flächen hat deutlich zugenommen; neue gefährdete und feuchtgrünlandtypische Arten sind hinzugekommen. Die Ausbreitung der Magerkeitszeiger Ruchgras und Gras-Sternmiere veranschaulicht den bisherigen Extensivierungserfolg.
Im Jahr 2000 wurden im NSG "Hetter" zum ersten Mal die Süßwassermollusken untersucht. Die Ergebnisse zeigen die herausragende Bedeutung des Gebietes auch für diese Tiergruppe. Im Vergleich zu anderen Untersuchungen am Unteren Niederrhein stellten sich insbesondere die Landwehr und einzelne Gräben als überaus artenreich dar. Zwei dieser Arten, die Bauchige Schnauzenschnecke und die Schöne Erbsenmuschel sind landesweit vom Aussterben bedroht.
Naturerleben kontra Naturschutz?
Konflikte gibt es bezüglich eines Radweges, der durch die Feuchtwiesen führt und daher während der Brutzeit der Wiesenvögel sowie während der Rastperiode der sibirischen Gänse und anderer Wintergäste geschlossen ist. Die betroffene Stadt und der örtliche Heimatverein drängen auf längere Öffnungszeiten. Die Naturschützer führen die Störwirkungen etwaiger Besucher als Hauptargument ins Feld und möchten die Optimierung der Feuchtwiesen für Wiesenvögel und Wildgänse nicht durch eine ungebremste Freizeitnutzung beeinträchtigt sehen. Daher wurde ein Runder Tisch mit Vertretern des Naturschutzes, des Kreises Kleve, der Stadt und des Heimatvereins ins Leben gerufen. Hier ist der Raum, um die Interessensgegensätze offen auszusprechen und Argumente auszutauschen. Die Suche nach für alle Seiten akzeptablen Lösungen gestaltet sich schwierig, aber gerade dies regt zu neuen Ideen an, um Naturerleben und Naturschutz auch in einem derart sensiblen Gebiet zusammenzuführen.
Matthias Hollerbach
Susanne Klostermann