Warum gibt es den Dr.-Hermann-Klingler-Preis?
Plädoyer von Marion Mittag, Tochter von Hermann Klingler
Kinder sind die Zukunft, ihnen gehört die Welt! Solche und ähnliche Sätze hört man gern in Sonntagsreden. Klingt ja auch gut. Und wie sieht die Wirklichkeit aus?
In einer überalterten Gesellschaft bestimmt die Masse der Älteren, wo es lang geht. Das ist ja an sich noch nicht so schlimm, wenn sie denn das Wohl der Jüngeren auch im Blick hätten. Daran allerdings kann man mitunter zweifeln. Denn dazu würde zuallererst einmal gehören, dass man einen regen Austausch mit den Jungen führte, ihre Wünsche und Gedanken ernst nähme und sie gestalten ließe. Mehr noch: Sie auch Fehler machen lässt! Denn Fehler sind es, die die Welt voran treiben. Die Basis jedes wissenschaftlichen Denkens und Handelns ist es Fehler zu machen, sie auszuwerten und dann die Entwürfe zu verändern.
Wo ist denn dieses Terrain für unsere Kinder und Jugendlichen, wo sie entwerfen, mitdenken, querdenken, mitbestimmen, gestalten, auch Fehler machen dürfen? Strukturiert und vorbestimmt sind die meisten Wege doch schon vom Kindergarten an. Da wird möglichst früh die erste Fremdsprache erlernt, in der Bambini-Gruppe die Fußballkarriere avisiert, in der Ganztagsbetreuung Gleichschritt geübt. Wo kann der kindliche Geist noch fliegen? Wo will jemand etwas hören, was nicht in der Erwachsenen-Welt willkommen und bereits erwartet ist?
Mein Vater hat jungen Menschen etwas gegeben, was unschätzbar wertvoll ist: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Marion Mittag
Preisstifterin und Tochter von Hermann Klingler
Meinem Vater haben schon immer junge Menschen imponiert, die mit ihrem Gestaltungswillen aus der Masse heraus ragten. Jugendliche, die im NABU den Mund aufmachten, weil sie etwas zum Besseren verändern wollten, nahm er oft unter seine Fittiche. Klar, er hat ihnen auch die Leviten gelesen, wenn sie Blödsinn verzapften. Aber vor Angriffen von außen hat er sie verteidigt, ihnen die Steigbügel gehalten, um in Positionen zu kommen, wo sie mitwirken und mit gestalten konnten. So gelangten nicht nur etliche kreative, schlaue Köpfe in Führungsetagen, sondern es wurden auch viele eher zurückhaltende Kinder und Jugendliche ermutigt, vor Ort und im Kleinen „ihr Ding“ zu machen. Denn jeder hat Qualitäten, die es gilt heraus zu finden und zu nutzen.
Ich erlebe heute noch, mehr als ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod, wie Menschen voll Hochachtung von meinem Vater sprechen. Er hat ihnen etwas gegeben, was unschätzbar wertvoll ist: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Einsatz zeigen lohnt sich!
Genau das ist der Grund, warum meine Familie und ich beschlossen haben, zu seinen Ehren den Dr. Hermann-Klingler-Preis zu verleihen. Wir wollen all den jungen Menschen Mut machen, die sich mit ihren ganz unterschiedlichen Fähigkeiten einsetzen für eine lebenswerte Zukunft. Und zwar für eine Zukunft, in der alle ihren Platz haben. Wir wollen mit dem Dr. Klingler-Preis nicht nur finanziell honorieren, sondern auch Aufmerksamkeit schaffen für diejenigen, die sich engagieren – nicht für Noten, nicht für Erwachsenen-Lob, sondern für andere, für die Mit-Welt. Die nicht nur laut tönen und bei ihren Aktivitäten gleich auf deren Wert für ihren Lebenslauf schielen. Diese jungen Menschen sollen erfahren, dass sich Einsatz lohnt, dass auch kleine Schritte gesehen werden, dass daraus sogar Großes erwachsen kann, aber nicht muss.
Betrachte ich die Vielzahl der Preisträger seit 1994 und die Vielfalt der Projekte, so erfüllt mich das mit großer Freude. Kinder kommen mit einem unbändigen Willen zur Entdeckung und Gestaltung zur Welt. Das ist wundervoll und darf nicht zerstört werden. Lassen Sie uns diesen Kindern Gehör schenken, Mut machen und ihnen als fördernde Begleiter zur Seite stehen!
Dr. Marion Mittag
Krefeld, im Oktober 2020
Seit 1995 vergibt der NABU den Dr. Hermann-Klingler-Jugendpreis und honoriert damit die Bemühungen junger Menschen um Natur und Umwelt. Der Preis wurde bereits 28 Mal verliehen. Hier finden Sie eine Übersicht aller bisherigen Preisträger. Mehr →
Zum 25jährigen Jubiläum haben wir einige der Preisträger und Wegbegleiter von Dr. Hermann Klingler besucht und erzählen ihre Geschichten. Mehr →