NABU fordert Kehrtwende in der Agrarpolitik
NRW-Qualitätsprodukte für die Region statt Massenproduktion für den Weltmarkt
05. Mai 2010 -
Etwa die Hälfte des Landesfläche von Nordrhein-Westfalen wird von landwirtschaftlicher Nutzfläche eingenommen. Allein dies ist ein Hinweis darauf, wie bedeutsam die Landwirtschaft für den Natur- und Artenschutz ist. Doch die landwirtschaftliche Flächennutzung in NRW ist einem atemberaubenden Wandel unterworfen. „Innerhalb weniger Jahre sind Flächenstillegungen fast komplett verschwunden, das Grünland hat um mindestens fünf Prozent abgenommen und der intensive Maisanbau zur Nutzung in Biogasanlagen ist rapide ausgeweitet worden“, so Josef Tumbrinck Vorsitzender des NABU-Landesverbandes. Mit verheerenden Auswirkungen auf die Biodiversität. Der NABU NRW erwarte von der kommenden Landesregierung deshalb eine deutliche Kehrtwende in der Ausrichtung der nordrhein-westfälischen Landwirtschaftspolitik.
Nach der BSE-Krise im Jahr 2001 hätten Bund und einige Länder zwar mit einer Reform der Agrarpolitik begonnen. „Die schwarz-gelbe Landesregierung hat diese Reformen seit 2005 jedoch wieder zurückgedreht und einseitig auf eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft gesetzt“, so Tumbrinck weiter. Mit den bekannten Folgen: zeitweiser Stopp der Förderung des ökologischen Landbaus, Aufhebung von Tierschutzanforderungen wie zum Beispiel dem Schweinehaltungserlass, Flexibilisierung der Antibiotika-Anwendungsrichtlinien, Erleichterung des Baus von Ställen zur Massentierhaltung und Konzentration der Förderpolitik auf Intensivierung und Größenwachstum der Betriebe.
Grünlandverlust stoppen
„Aus Naturschutzsicht besonders dramatisch ist der damit einhergehende fortschreitende Grünlandumbruch, denn Wiesen und Weiden sind in der Regel artenreicher als Ackerflächen und damit für den Erhalt der biologischen Vielfalt von besonderer Bedeutung", erklärt Tumbrinck. Zwischen 2003 und 2007 sei der Grünlandanteil an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche nachweislich um 4,2 Prozent auf 439.003 Hektar zurückgegangen. Die schon lange in der Schublade liegende Verordnung zum Erhalt von Dauergrünland müsse deshalb sofort in Kraft treten. „Der NABU ist davon überzeugt, dass die wichtige Fünf-Prozent-EU-Marke des Grünlandverlustes schon längst gerissen worden ist, denn aus den verschiedensten Regionen NRWs erreichen uns immer wieder Meldungen über Landwirte, die ihr Grünland noch schnell umbrechen, insbesondere um Mais anzubauen“, so der NABU-Landeschef weiter.
Nachhaltige Landnutzung fördern
Im Gegenzug sei die Maisanbaufläche von 2005-2009 allein in NRW um 15,1Prozent von 223.100 auf 256.700 Hektar angestiegen. Diese enormen Verschiebungen vom Grünland zur Mais-Monokultur machten aus Sicht des NABU die Notwendigkeit zusätzlicher Auflagen im Bereich Agrarpolitik und Bioenergie besonders deutlich. Denn mit weiteren Problemen für die Biodiversität in NRW durch den ausufernden Maisanbau sei zu rechnen: So darf in diesem Frühjahr im Rahmen einer begrenzten Ausnahmegenehmigung des Bundesamtes für Verbraucherschutz auch in NRW das Insektizid Santana zur Bekämpfung des Drahtwurms in Maiskulturen ausgebracht werden. Der NABU NRW fordert Landwirtschafts- und Umweltminister Uhlenberg dringend auf, alles daran zu setzen, diese Ausnahmegenehmigung sofort zu stoppen, da das Clothianidin-haltige Insektizid bereits im Jahr 2008 nachweislich zum massiven Bienensterben in Baden-Württemberg geführt hat.
Landwirtschaftskammern auflösen
Eine langjährige Forderung des NABU im Landwirtschaftsbereich ist zudem die Auflösung der Landwirtschaftskammern. Echte hoheitliche Aufgaben könnten nach Auflösung direkt im Ministerium angesiedelt werden. Die Arbeit der Landwirtschaftsverbände wäre dann völlig losgelöst und die Einflussnahme in und über die Kammergremien würde entfallen. Auch kritisiert Tumbrinck die überhöhten Mittel, die den Kammern zur Verfügung stehen: „Entgegen den Aussagen von Minister Uhlenberg ist nach den tatsächlichen Ausgaben der Kammeretat seit der Regierungsübernahme gestiegen.“ Betrugen die tatsächlichen Ausgaben 2004 vor der Regierungsübernahme noch 92,2 Millionen Euro, so waren es 2008 nach den letzten vorliegenden Abschlusszahlen 93,1 Millionen. Zum Vergleich: Im Agrarland Niedersachsen sind es 2008 gerade einmal 66,7 Millionen Euro, die das Land für seine Kammer ausgibt. Landwirtschaftskammern gäbe es außerdem nur in fünf Flächenländern im Norden und Westen Deutschlands. In der übrigen Bundesrepublik seien sie unbekannt.
Gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Verhandlungen über die EU-Agrarreform 2013 kommt es aus Sicht des NABU immer mehr darauf an, dass die Politik eine multifunktionale Landwirtschaft unterstützt, die konkrete Leistungen für die Gesellschaft erbringt. „Hierfür sind klare politische und ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen notwendig, um eine naturverträgliche Bewirtschaftung trotz zunehmender Flächenkonkurrenzen sicherzustellen“, sagt Tumbrinck. Eine Entwicklung im Einklang mit Natur und Umwelt sei schließlich auch die Voraussetzung dafür, dass die öffentliche Akzeptanz der Landwirtschaft und der Agrarzahlungen langfristig erhalten bleibe. „Der NABU erwartet von der zukünftige Landesregierung in NRW im Bereich Landwirtschaft diesbezüglich entscheidende Weichenstellungen.“
Natur- und Umweltschutz müssen wieder eine höhere und vor allem deutlich erkennbare Priorität in der Landespolitik bekommen.
Deshalb erwartet der NABU NRW von der künftigen Landesregierung vor allem entschlossenes Handeln.
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