Die Fleuthkuhlen
Naturschätze im Verborgenen
Im Dreieck zwischen Geldern, Kapellen und Issum liegt das Naturschutzgebiet Fleuthkuhlen, ein knapp 600 ha großes Sumpfgebiet, dass seine Existenz der Torfgewinnung des 18. und 19. Jahrhunderts verdankt. Die ökologische Bedeutung des Naturschutzgebietes erschließt sich dem Besucher erst auf den zweiten Blick: Versteckt und meist schwer zugänglich inmitten von Waldbereichen und feuchtem Weideland liegen zahlreiche Gewässer, umgeben von Sumpfgebüschen und Bruchwäldern. Viele seltene Tierarten, wie die Wasserralle, der Moorfrosch oder die Spitzenfleck-Libelle, finden noch ungestörte Lebensräume.
Diese sind vor allem geprägt durch über 50 Torfkuhlen-Gewässer mit ihren Verlandungsstadien, die auf engstem Raum ein Mosaik aus vielfältigen miteinander verzahnten Strukturen bilden und sich im Laufe der Zeit stetig verändern: Offene Wasserflächen mit Schwimmblatt- und Unterwasserpflanzen sind von Röhrichten und Seggenrieden umgeben. In den typischerweise nährstoffreichen Gewässern bilden sich mächtige Schlammschichten, wodurch sie immer flacher werden und die offene Wasserfläche schließlich ganz verschwindet. Röhrichte und Seggenriede breiten sich über die gesamte ehemalige Gewässerfläche aus und werden schließlich von Grauweidengebüschen und zuletzt vom Erlenbruchwald abgelöst. Diese Dynamik und Vielfalt der Verlandungsstadien zu erhalten, ist ein wesentliches Ziel des Naturschutzes in den Fleuthkuhlen.
Die Issumer Fleuth gab dem Naturschutzgebiet den Namen: Der ruhige kleine Tieflandfluss durchströmt die torfige, von Viehweiden geprägte Niederung. Das Fließgewässer bildet das "Rückgrat" des Schutzgebietes. Über ein System von Entwässerungs- und Wiesengräben stehen die Kuhlengewässer mit der Issumer Fleuth und untereinander in Verbindung.
Auch das gehört zum Gebiet der Fleuthkuhlen: Auf den höher gelegenen, trockenen und sandigen Böden der Donken wachsen lichte Eichen- und Birken-Eichen-Wälder im Wechsel mit Kiefern- und Fichtenforsten, die zusammen mit den angrenzenden Feuchtbiotopen einen ungestörten Lebensraum bilden. Besonders Fledermäuse profitieren vom Nebeneinander von Wald und Wasser. 11 der 18 in Nordrhein-Westfalen lebenden Arten kommen allein im Gebiet der Fleuthkuhlen vor. Neben dem Buntspecht brüten hier auch die seltenen Arten Grün- und Schwarzspecht. Ihre verlassenen Bruthöhlen dienen den Fledermäusen als Quartier.
Ein Rundgang durch die Fleuthkuhlen
Die Beerenbrouck-Kuhle, benannt nach dem nahe gelegenen Herrenhaus, ist ein Beispiel für ein offenes, flaches Gewässer mit vielgestaltigem Pflanzenbewuchs aller Verlandungszonen: Gelbe Teichrosen bilden eine dicht Schwimmblatt-Pflanzendecke, auf der sich an hellen Sommertagen oft verschiedene blaue Azurjungfern und andere Kleinlibellen sonnen. In den Lücken der Erlen-Ufergehölze und Grauweiden-Gebüsche wachsen Röhrichtpflanzen wie die gelb blühende Sumpf-Schwertlilie, Sumpf-Lappenfarn, Zungen-Hahnenfuß oder die Horste der Steifen Segge. Mit etwas Glück kann man hier den Spitzenfleck beobachten, eine stark gefährdete Großlibellen-Art, die in den Fleuthkuhlen noch zahlreich vorkommt. Im Frühjahr ist das beeindruckende Konzert der Wasserfrösche zu hören.
Zur Vielfalt des Gebietes gehören auch recht eintönig wirkende offene Gewässer wie die Doppel-Kuhle, die schon wegen ihrer großen Fläche von ca. 3 ha ein wichtiger Brut- und Rastplatz für Wasservögel ist. In den dichten Weiden- und Erlenbeständen der Uferzone finden Blässhuhn, Teichhuhn und Reiherente geschützte Brutplätze. Auch die Graugans, die sich seit den 1980er Jahren im Gebiet stark vermehrt hat, brütet hier. Zur Zeit des Vogelzugs sind gefährdete Entenarten wie Löffel- und Tafelenten, der seltene Waldwasserläufer und in den letzten Jahren immer wieder Silberreiher auf dem Durchzug zu beobachten.
Das unzugängliche, heute von dichten Weidengebüschen umgebene Sumpfgebiet am Geisberg nordwestlich des Wanderweges war vor über 100 Jahren einmal ein offenes Torfstich-Gewässer. In dem heute unzugänglichen Sumpfgelände, im Grenzbereich zwischen dichten, im Frühjahr lange überfluteten Schilfröhricht und den Grauweidengebüschen lebt die Wasserralle, ein sehr seltener und heimlich lebender Wasservogel. Eine weitere Besonderheit ist auch ein großer Bestand der Sumpf-Calla.
Im "Illemsveen" eröffnet sich ein Einblick in einen der vielfältigsten und wertvollsten Bereiche der Fleuthkuhlen. Unmittelbar an einem Schotterweg sieht man, umgeben von Grauweidengebüschen, ein kleines verlandendes Gewässer, das östlich in einen Erlenbruchwald übergeht. Solche Wälder torfiger, sehr nasser Böden sind durch Entwässerung der Niedermoore sehr selten geworden, nehmen aber in den Fleuthkuhlen noch große Flächen ein. Im Frühjahr fallen hier vor allem Sumpf-Schwertlilien und die charakteristischen Bulte der Steifen Segge ins Auge. Später im Jahr dominiert das zarte Grün des Sumpf-Lappenfarns.
Weiter nördlich des Bruchwaldes erstreckt sich ein großes Kuhlengewässer und weitere ausgedehnte Weidengebüsche, Bruchwäder und gehölzfreie Röhrichte. Große Teile dieses unzugänglichen Biotopkomplexes sind lange Zeit des Jahres überflutet - ideale Refugien für den vom Aussterben bedrohten Moorfrosch oder seltene und scheue Wasservögel wie Krickente oder Zwergtaucher. Auch die Schneide, ein bis zu zwei Meter großes stark gefährdetes Sauergras, hat hier eines ihrer letzten Vorkommen in Nordrhein-Westfalen.
Die Issumer Fleuth
Von der Brücke an der Beerenbrouck-Straße aus hat man einen weiten Blick in die Feuchtwiesen der Aue durch die das Gewässer hier fließt. Im Hochsommer wächst eine üppige Wasservegetation und bei sonnigem Wetter schwirren große Mengen der Gebänderten Prachtlibelle über der Wasseroberfläche und am Ufersaum umher. An der Brücke bei Haus Finkenhorst hat die Issumer Fleuth einen anderen Charakter. Dank der Beschattung durch den begleitenden Wald wird die Wasservegetation hier in natürlichen Grenzen gehalten und muss kaum gemäht werden. Davon profitieren zahlreiche Kleinfische, die dem Eisvogel als Nahrung dienen. Mit etwas Geduld kann man diesen "fliegenden Edelstein" bei seiner akrobatischen Jagd beobachten.
Das NABU-Naturschutzzentrum Gelderland und die NRW-Stiftung
Mit einem umfangreichen Flächenkauf der NRW-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege fiel 1991 das Startsignal zum "Projekt Fleuthkuhlen", das zwei Jahre später den Anlass zur Gründung des NZ Gelderland gab. Seitdem beobachtet der NABU hier regelmäßig den ökologischen Zustand des Gebietes, koordiniert Maßnahmen zur Optimierung, arbeitet eng mit den Pächtern und Verbänden vor Ort zusammen und verwaltet treuhänderisch die Flächen der NRW-Stiftung. Heute befinden sich ca. 145 ha Gewässer, Sumpf, Wald und Weideland im Eigentum der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, das entspricht etwa 1/4 des gesamten Schutzgebietes. Seit 1998 betreut das Naturschutzzentrum im Auftrag des Landes NRW und des Kreises Kleve als "Biologische Station" das gesamte Schutzgebiet. Dazu wird das ehrenamtliche Team des Naturschutzzentrums durch eine hauptamtliche Biologin unterstützt.
Mit dem Fahrrad rund um die Fleuthkuhlen
Das Naturschutzzentrum Gelderland, das die Fleuthkuhlen vor Ort betreut, hat eine Broschüre dazu erarbeitet. Darin sind die Lebensräume mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt beschrieben und die Entstehungsgeschichte der Landschaft wird erklärt. Eine Wegekarte in der Mitte des Heftes lädt ein, das Gebiet mit dem Fahrrad selbst zu erkunden: Sie zeigt Stellen, an denen Besucher die Besonderheiten der Fleuthkuhlen beobachten können, ohne die empfindlichen Biotope zu stören. Zu jeder Stelle ist im zweiten Teil des Heftes zu erfahren, was den Ort auszeichnet und welche Tier- und Pflanzenarten dort mit etwas Glück zu entdecken sind. Dass dieses 24-seitige Heft so professionell gestaltet und hochwertig gedruckt werden konnte, ist der finanziellen Unterstützung der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege zu verdanken.
Weitere Infos unter: Naturschutzgebiet Fleuthkuhlen
Text: Monika Ochse