Trauerfall für den Natur- und Artenschutz oder Rettung in letzter Minute
NABU-Tagung „Fast weg – der Feldhamster“ in Zülpich
Der Feldhamster steht in NRW kurz vor dem Aussterben. Um zu retten, was noch zu retten ist, hatte der NABU am 12.2. alle am Hamsterschutz Interessierten und Beteiligten in das Bürgerbegegnungszentrum Martinskirche nach Zülpich eingeladen. Die Veranstaltung sollte die Hintergründe für den Rückgang, die aktuelle Bestandssituation, Erfolge und Misserfolge bisheriger Schutzbemühungen und nicht zuletzt akute Gefährdungen beleuchten und zur Diskussion stellen. Daraus resultierend sollten Inhalte und Bedingungen für ein akutes Nothilfeprogramm erarbeitet werden.
Die mit rund 70 Teilnehmern gut besuchte Tagung startete mit dem Vortrag von Ute Köhler, Feldhamsterexpertin aus NRW, die zunächst die Lebensweise und den Lebensraum des Feldhamsters vorstellte und speziell auf die Entwicklung der lokalen Population in Zülpich einging. Erschreckende Zahlen über die letzte existierende Hamsterpopulation in Nordrhein-Westfalen – im Frühjahr 2015 wurden 19 Baue, im Sommer 2015 nur noch 10 Baue kartiert – machten allen Beteiligten deutlich, wie dramatisch sich die Situation beim Feldhamster zurzeit darstellt.
Dr. Kiel vom Umweltministerium beleuchtete in seinem anschließenden Vortrag die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Landesstrategie zum Erhalt der Arten der Feldflur in Nordrhein-Westfalen. Hier gebe es mit der Biodiversitätsstrategie NRW, dem Leitfaden „Artenschutz in der Landwirtschaft“, der Rahmenvereinbarung „Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften“ vom 8.12.2014 sowie dem europäischen und bundesweit geltenden Artenschutzrecht gute Rahmenbedingungen nicht nur für einen erfolgreichen Hamsterschutz. Diese müssten allerdings vor Ort entsprechend umgesetzt werden. Für den Vollzug der europäischen Artenschutzbestimmungen sind nach geltendem Recht die unteren Landschaftsbehörden der Kreise und kreisfreien Städte zuständig.
Frau Geiger-Roswora vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz stellte die Aktivitäten des Landes NRW vor, gemeinsam mit den anderen Akteuren seiner Verantwortung nachzukommen, den Hamster als Art des Anhang IV der FFH-Richtlinie in einem guten Erhaltungszustand zu erhalten. Bereits seit 2002 wurden mit Hilfe eines Artenschutzprogrammes, umfangreichen Vertragsnaturschutzmaßnahmen sowie zwei länderübergreifenden Life-Projektanträgen und dem zuletzt 2014 für die Zülpicher Feldhamster begonnenen Feldhamster-Erhaltungszuchtkonzept versucht, den Rückgang der Art aufzuhalten. Dies jedoch mit aus Sicht des NABU bislang mangelndem Erfolg.
Kernforderungen des NABU zum Hamsterschutz in NRW
Heinz Kowalski vom NABU NRW erklärte in seinem folgenden Vortrag denn auch, dass ´wir alles unternehmen müssen, um zu verhindern, dass der Feldhamster in Nordrhein-Westfalen ausstirbt´. Er stellte die Kernforderungen des NABU zum Hamsterschutz in NRW vor:
- Keine Bebauung des letzten Feldhamstervorkommens
- Konkretes Nothilfezuchtprogramm
- Ambitionierte Umsetzung der Biodiversitätsstrategie
- Bilanzierung und Aktualisierung des Artenhilfsprogramms.
Zudem mahnte er an – auch in den eigenen Reihen – darüber nachzudenken, wie man das, was man offensichtlich beim Feldhamsterschutz versäumt habe, zukünftig bei anderen gefährdeten Arten insbesondere der Feldflur zukünftig verhindern könne. „Am Geld kann es nicht liegen“, so der stellvertretende Landesvorsitzende, „ denn die Mittel, die für den Naturschutz im Landeshaushalt zur Verfügung stehen, werden in den letzten Jahren noch nicht einmal ausgeschöpft.“ Sein Fazit: Der Feldhamster in NRW wird ein weiterer Trauerfall beispielhaft für das Versagen auch der Naturschutzverbände beim Artenschutz oder ein Musterfall für die Rettung in letzter Minute.
In den weiteren Vorträgen ging Frau Elisabeth Verhaag von der Landwirtschaftskammer NRW auf die von Seiten der Landwirtschaft erfolgten Projekte und Maßnahmen zum Feldhamsterschutz ein. Sie plädierte für eine weitere Zusammenarbeit vor allem auf freiwilliger Basis. Boena van Noorden, Feldhamsterexperte aus den Niederlanden stellte die Situation des Nagers und Erfolge und Misserfolge der bisherigen Schutzbemühungen dort vor. Seit 1999. betreiben die Niederländer eine mittlerweile erfolgreiche Hamsterzucht im Gaia-Zoo in Kerkrade. Doch trotz Zucht und Hamstermanagement gehen die Zahlen im Freiland weiter zurück. Man versucht hier unter anderem mit der Ausweisung eines Totalreservates für Feldhamster sowie der Verleihung von Preisen an Landwirte für den besten Hamsterschutz den Tieren weiter zu helfen.
Tobias Reiners, Feldhamsterexperte aus Hessen gewährte einen Einblick in seine genetische Forschung zum Feldhamster, das hessische Landesprogramm und die Schutzprojekte der Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz. Er betonte die Wichtigkeit des erfolgreichen Hamsterschutzes im belgisch-niederländisch-nordrhein-westfälischen Raum, da hiermit auch der Erhalt einer besonderen genetischen Einheit des Feldhamsters sichergestellt werden könnte.
In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde noch einmal deutlich, dass alle Beteiligten den Feldhamster in NRW retten wollen, aber ein klares Konzept oder eine umfassende Strategie, bisher nicht wirklich zu erkennen ist. Eine Zusammenarbeit aller Akteure vor Ort – Untere Landschaftsbehörden, Landwirtschaftskammer, Landwirte, Biostationen und Naturschutzverbände – dazu wird unerlässlich für die Rettung des Hamsters sein. Unter Federführung des Umweltministeriums wird es dazu Anfang April in der Fortführung entsprechender zurückliegender Fachgespräche der vergangenen Jahre ein weiteres Treffen geben, bei dem man sich verbindlich auf das weitere Vorgehen einigen will.
Deutlich wurde aber auch, dass es bei einer weiterhin intensiven Landwirtschaft mit Monokulturen, hohem Pestizid- und Düngereinsatz sowie mangelnder Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der in der Feldflur lebenden Tier und Pflanzen der Schutz gefährdeter Arten wie dem Feldhamster einem aussichtlosen Unterfangen gleich kommt. Nur eine zumindest in Teilen völlig andere Landwirtschaft wird hier Abhilfe schaffen.
Birgit Königs, 21.März 2016