"Mit dir hab ich Großes vor!"
Erinnerungen an Hermann Klingler von Jochen Flasbarth
Herr Flasbarth, stimmt es, dass Sie über die Fünf Freunde von Enid Blyton zum Vogelschutz gekommen sind?
Ja, das klingt fast wie eine unglaubwürdige Geschichte, aber das war wirklich so. Da gab es diesen Jack, der Vögel beobachtet hat, sich auch ganz stolz als Ornithologen bezeichnet hat und den Riesen-Alk gesucht hat. Da hab‘ ich gedacht „Das will ich auch!“ Mit zehn Jahren habe ich von meinen Eltern ein Fernglas bekommen und von meiner Tante ein Vogelbuch.
War das ein ungewöhnliches Hobby zu der Zeit?
Klar! Damit war ich ein Exot. Irgendwann war es so uncool, dass ich damit aufgehört habe. Der Schlüsselmoment war, als ich meine Schulfreunde dafür gewinnen wollte, im Winter Meisenknödel aus Fett und Samen zu gießen. *lacht* Dann bin ich erst mit 16 wieder darauf zurückgekommen, als ich als Stationshelfer auf der Vogelwarte Helgoland war.
Und darüber sind Sie zum NABU gekommen?
Ja, ich habe dort gefragt, was man macht, wenn man sich für Vogelschutz einsetzen will und dann haben sie gesagt, „Geh mal zum Deutschen Bund für Vogelschutz.“ So hieß der NABU damals noch. Ich wandte mich an die Geschäftsstelle des DBV-Kreisverbandes Wesel. Das war damals die Privatanschrift von den Klinglers. Ich habe da angerufen und Hermann Klingler hat gleich gesagt, „Morgen Abend ist eine Veranstaltung in Rheinberg. Ich hol dich ab!“ Er war Arzt in Rheinhausen, wo ich wohnte. Und dann kam da abends ein riesengroßer amerikanischer Straßenkreuzer vorgefahren. – Heute würde man als Umweltverbandsvorsitzender für so etwas auch verdroschen werden. Aber damals… Meine Familie staunte nicht schlecht, als ich da in so einen Schlitten eingestiegen bin und dann sind wir zu einem Vortrag gefahren und haben geredet. Anschließend hat er mich zurückgebracht und dann hat er, das hab‘ ich heute noch im Ohr, diesen Satz gesagt „Mit dir hab ich Großes vor.“ Wirkt heute vielleicht alles etwas oldfashioned aber man kann sich vorstellen, dass mir das als Jugendlicher mit 16/17 Jahren natürlich irgendwie gefallen hat, so gewertschätzt zu werden. Als nächstes hat er mich in eine bundesweite Fortbildung des DBV reingebracht und die Dinge nahmen ihren Lauf.
Ich finde es sehr gut, dass das, was wir damals durch die Person Hermann Klingler erlebt haben, fortgeführt wird und dieser Keim weitergetragen wird. Dass es den Klingler-Preis schon seit 25 Jahren gibt, hat mich ehrlich gesagt selber verblüfft und ich wünsche mir, dass es weitere 25 werden.
Jochen Flasbarth
Wie würden Sie Dr. Hermann Klingler beschreiben?
Er konnte begeistern, er hatte eine sehr mitreißende Rhetorik. Auch ein bisschen pathetisch. Und er hat zu den jungen Leuten gestanden. Das hat nicht nur mich, sondern auch viele andere Jugendliche gefesselt. Wir haben manchmal auch „Scheiß gebaut“ und Dinge nicht richtig gemacht. Das hat er uns dann schon gesagt. Aber er ist aufgestanden und hat die anderen, die gegen uns waren, in Grund und Boden gestampft. Und das ist natürlich ein tolles Gefühl, wenn einer so zu dir steht, selbst wenn du mal in der Defensive bist. Das war für viele junge Leute unglaublich motivierend.
Fehlen Leute wie Hermann Klingler heute?
Die Art von Hermann Klingler würde heute anders wahrgenommen werden. Heute bräuchten Jugendliche Kinder wieder eine andere Ansprache. Aber Mentoren, Leute die sich kümmern, die halte ich für extrem wichtig. Nach etlichen Jahren, in denen es eine Entpolitisierung der Jugend gegeben hat, haben wir gerade wieder eine sehr politische Phase. Jetzt ist es wichtig, zu gucken, wo man helfen kann, dass der eine oder die andere daraus eine Zukunftsperspektive entwickelt und sie die Aktivität im Natur- und Umweltschutz nicht nach ein paar Jahren wieder aufgeben.
Ist das Ihre Befürchtung, dass die Bewegung nicht so weit trägt?
Nein, es mag von den Einen eine Hoffnung sein, dass sich die jungen Leute bald wieder beruhigen, aber ehrlich gesagt glaube ich das nicht. Dazu ist der Problemdruck zu groß. Wenn ich höre, mit wie viel Selbstbewusstsein die jungen Leute da agieren, ist das schon sehr beeindruckend. Aber trotzdem kann die ältere Generation durch Wertschätzung etwas dazu beitragen. Wir müssen ihnen Signale geben, dass sie genau die Richtigen sind für die riesigen Aufgaben, die vor uns liegen.
Das Interview führte Julja Koch
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