Licht und Schatten
Rückblick auf sieben Jahre rot-grüne Umwelt- und Naturschutzpolitik
Seit dem 2012 ist die rot-grüne Landesregierung im Amt. Zuvor hatten SPD und Grüne bereits für zwei Jahre eine Minderheitsregierung gebildet. Nun wird am 14. Mai ein neuer Landtag gewählt. Zeit also für eine naturschutzpolitische Bilanz und einen Blick in die Zukunft.
Ganz anders als die ersten rot-grünen Regierungen unter Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück zwischen 1995 und 2002 haben Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann als Ministerpräsidentin und Stellvertreterin, bei allen politischen Unterschieden, eine von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Zusammenarbeit gepflegt. Der Koalitionsvertrag 2012, der bis auf kleine Veränderungen dem aus dem Jahr 2010 entsprach, war aus Sicht des NABU in vielen Politikfeldern des Natur- und Umweltschutzes sehr ambitioniert und enthielt viele der Forderungen, die wir vor der Wahl aufgestellt hatten. Die Umsetzung allerdings brachte Licht und Schatten.
Meilenstein beim Klimaschutz
Schon in einer sehr frühen Phase der Legislaturperiode, im Januar 2013, verabschiedete der nordrhein-westfälische Landtag ein Klimaschutzgesetz mit konkreten Zielen für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen in NRW – eine Premiere für Deutschland. Genau das hatten die Umweltverbände zuvor mit Nachdruck eingefordert. Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen um mindestens 25 Prozent und bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Gleichzeitig will die Landesregierung bis zum Jahr 2025 einen Anteil von 30 Prozent für die erneuerbaren Energien erreichen.
Aktuell sind die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Referenzjahr 1990 um rund 22 Prozent gesunken, das 2020-Ziel dürfte also erreicht werden. Dazu dürfte auch der in einem breiten gesellschaftlichen Konsultationsprozess entwickelte Klimaschutzplan beitragen. In dem sind die Wege und Maßnahmen festgehalten, mit denen die auch vom NABU mitgetragenen Ziele aus dem Klimaschutzgesetz erreicht werden können. Trotz mancher Schwächen im Detail ist hier ohne Frage ein Meilenstein in der deutschen Klimaschutzgeschichte gesetzt worden.
Akzeptanzprobleme bei der Windenergie
In Nordrhein-Westfalen sollen bis 2025 mehr als 30 Prozent der gesamten erzeugten Strommenge aus erneuerbaren Energien stammen. Die Windenergie soll dazu einen großen Beitrag leisten und bis 2020 rund 15 Prozent der nordrhein-westfälischen Energieproduktion liefern. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die rot-grüne Regierung den Ausbau der Windkraft gefördert. Dafür hat sie schon früh die Möglichkeit für die Regierungsbezirke abgeschafft, Vorrangzonen mit so genannten Eignungswirkung für die Windkraft zu beschließen. Dadurch wären die einzelnen Kommunen gebunden gewesen und die räumliche Planung wäre übergeordnet gesteuert worden. Das Münsterland hatte diese Steuerung erfolgreich vorgemacht.
Nach der Entscheidung der Landesregierung wurde die kommunale Ebene entscheidend, mit fatalen Folgen: Mancherorts begann ein regelrechter Hype um neue Windkraftanlagen, bei dem die Naturverträglichkeit leider oft auf der Strecke blieb (und der den NABU zu mehreren Verbandsklagen veranlasste). In der Folge sinkt auch bei prinzipiellen Befürwortern die Akzeptanz für erneuerbare Energien, die notwendige naturverträgliche Energiewende wird immer komplizierter. Keine leichte Bürde für die kommende Regierung.
Teufelchen in den Details
Mehrere wichtige Gesetze wurden novelliert, darunter das Jagdgesetz, das Wassergesetz und das Naturschutzgesetz. Wird das Jagdgesetz von Umweltverbänden als das fortschrittlichste in Deutschland angesehen, war die Durchsetzung wichtiger Forderungen beim Naturschutzgesetz sehr viel schwieriger. Nach einem ambitionierten ersten Entwurf ist die Endfassung leider in einer Reihe von Punkten auf Druck naturschutzfeindlicher Lobbygruppen weich gespült worden. Der Landesentwicklungsplan bot dann beim Thema Flächenverbrauch einen echten Tiefschlag: Das extrem wichtige Ziel, den Flächenverbrauch in NRW auf fünf Hektar pro Tag zu senken, konnte nicht festgezurrt werden.
Die Sicherung der NRW-Naturerbeflächen in einer Stiftung blieb in dieser Legislatur unerledigt. Immerhin wurde ein Förderprogramm für Bildungseinrichtungen etabliert, das bald flächendeckend qualifizierte Umweltbildungsangebote ermöglicht. Dieses Programm läuft leider noch etwas unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung, ist aber dennoch ein deutliches Ausrufezeichen gegen die Naturentfremdung im Land.
Die Leitentscheidung zu Garzweiler, der Stopp im Landesstraßenneubau gegen die umfangreichen Straßenneuplanungen im Bundesverkehrswegeplan, die Sicherung der Biologischen Stationen, der Natur- und Umweltakademie, der Stiftungen und die Verdoppelung des Naturschutzetats gegen die Deckelung des landesweiten Biotopverbundes auf 15 Prozent der gesamten Fläche – Licht und Schatten, wohin man schaut. Leider ist die Novelle des Waldgesetzes liegen geblieben und ein umfassendes Pestizidverbot in den Naturschutzgebieten wurde bis auf ein Verbot im Grünland ab 2022 nicht durchgesetzt. Eine von vielen Aufgaben, denen sich die kommende Landesregierung stellen muss.
Ein Blick in die Zukunft
Für den NABU ist keine Frage, dass eine nachhaltige Entwicklung für NRW das zentrale Ziel der nächsten Landesregierung sein muss. Mit der im September 2016 von der Weltgemeinschaft verabschiedeten 2030-Agenda und den damit verknüpften 17 globalen Zukunftszielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) liegt ein Handlungsrahmen vor, der jetzt auch für NRW mit Leben gefüllt werden muss. Mit den in den letzten fünf Jahren verabschiedeten Strategien und Gesetzen, etwa zum Klimaschutz, zum Naturschutz oder zur biologischen Vielfalt, hat die aktuelle Landesregierung dafür eine durchaus respektable Vorlage geliefert.
Eine wirksame Klimaschutz- und Energiepolitik, eine konsequente Umsetzung der Biodiversitätsstrategie, ein ökologischer Umbau der Forstwirtschaft sowie eine deutliche Verbesserung des ökologischen Zustands unserer Gewässer stehen für den NABU NRW ganz oben auf der politischen Agenda. Wir haben dazu detaillierte Forderungen erarbeitet und werden jede künftige Landesregierung daran messen, wie ernst es ihr mit der nachhaltigen Entwicklung im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland ist.
auf einen Blick
Seit 2010 hat NRW eine rot-grüne Landesregierung. Nun wird am 14. Mai ein neuer Landtag gewählt. Der richtige Zeitpunkt also, naturschutzpolitisch Bilanz zu ziehen und Perspektiven für eine zukünftige Natur- und Umweltschutzpolitik bei den Parteien abzufragen. Mehr →