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Rabenvögel in der Schusslinie

Zu Unrecht gefürchtet und gejagt

Saat- und Rabenkrähe

Elster - Foto: Frank Derer

Nicht jeder Singvogel singt, mancher krächzt auch. So zum Beispiel die Rabenkrähe. Sie gehört zusammen mit Nebelkrähe, Saatkrähe, Kolkrabe, Elster, Eichelhäher, Tannenhäher und Dohle zu den in Deutschland heimischen Vertretern einer speziellen Familie innerhalb der Unterordnung der Singvögel: Der Familie der Rabenvögel. Ihre "Mitglieder" sind wie kaum ein anderes Tier verwoben in den (Aber-)glauben des Menschen. Waren es einst bei den Germanen zwei Raben, die als Boten des höchsten Gottes Wotan verehrt wurden, galten sie und ihre nächsten Verwandten, die Krähen, später als Todesbringer und Unglücksbote. Heute sind die Meinungen über Rabenvögel gespalten. Zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen, alten Ängsten oder Vorurteilen, Tierliebe und Jagdfieber kommt es immer wieder zu Debatten über diese Vögel. Insbesondere die Frage, ob Rabenartige geschossen werden müssen oder nicht sorgt für Uneinigkeit.


Rechtliche Hintergründe

Seit Inkrafttreten der EU-Vogelschutzrichtlinie 1979 stehen alle europäischen Vogelarten unter Schutz. Einige dieser Arten dürfen dennoch unter Berücksichtigung von Einschränkungen bejagt werden. Hierzu gehören die in Anhang II/ B gelisteten Arten, zu denen seit 1994 auch Elster, Eichelhäher, Raben- und Nebelkrähe zählen. Seitdem ist ihre Bejagung unter anderem in Deutschland erlaubt. Die Bejagung hat sich dabei nach Art. 7 und Art. 8 zu richten; es darf also nicht in der Heimkehrphase und Brutzeit gejagt werden, nicht selektive Fangmethoden sind verboten.


Eichelhäher - Foto: Frank Derer

Eichelhäher - Foto: Frank Derer

In Deutschland wird die Bejagung von den einzelnen Bundesländern geregelt und zwar in rechtlich unterschiedlicher Weise. In NRW ermöglichte beispielsweise die so genannte Rabenvogelverordnung seit 1994 die Jagd auf Elster und Rabenkrähe und deren Abschuss auch außerhalb der Brutzeiten. Für die Tötung von Eichelhähern war bis 2006 eine Ausnahmegenehmigung erforderlich. Mit der Änderung der Landesjagdzeitenverordnung 2006 wurde dann der Eichelhäher wie Elster und Rabenkrähe in die Liste der jagdbaren Arten für NRW aufgenommen. Allerdings wurde der Eichelhäher seitdem ganzjährig geschont. Nicht gejagt werden durften in NRW bisher Kolkraben, Dohlen und Saatkrähen. Im Rahmen der Novellierung des Landesjagdgesetzes 2014 ist auch vorgesehen den Eichelhäher wieder aus der Liste der jagdbaren Arten zu streichen.


Die Begründungen für den Abschuss einmal näher betrachtet

Als Gründe für die Notwendigkeit der Jagd auf Rabenvögel wird immer wieder die Sorge um den Bestand von Niederwild und kleineren Vögeln genannt. Besonders bereits geschwächte Bestände könnten durch Elstern und Rabenkrähen gefährdet werden. Ohne Dezimierung von Menschenhand werde zudem eine übermäßige Vermehrung bei Rabenvögeln eintreten. Auch seien sie Verursacher massiver Ernteschäden. Der besagte große Einfluss von Rabenvögeln auf ihr Umfeld stieß auch bei Ornithologen und Biologen auf Interesse.


Dohlenpaar am Haus, Foto: Hans Glader

Dohlenpaar am Haus, Foto: Hans Glader

Inzwischen wurden zahlreiche Untersuchungen über die Vögel durchgeführt, unter anderem über die Auswirkungen ihres Nahrungs- und Beuteverhaltens auf andere Tiere. Dabei schwanken die Angaben zu den erbeuteten Eiern und Jungvögeln an der Gesamtnahrung bei Elstern und Rabenkrähen zwischen unter 1% (6) bis 10 %. Untersuchungen über Elstern im Stadtgebiet haben gezeigt, dass sie hauptsächlich Eier und Jungvögel sehr häufiger Vogelarten wie Amsel oder Ringeltaube erbeuten. Die Bestände dieser beiden Arten stiegen trotz gleichzeitiger Populationszunahme bei den Elstern an (1,5). Negative Auswirkungen der Rabenvögel auf die Bestände seltenere Vogel- und Niederwildarten konnten ebenfalls ausgeschlossen werden (6).
Um zu prüfen, wie stark sich Rabenvögel ohne Bejagung tatsächlich vermehren, wurde ihre Bestandsentwicklung in Gebieten, in denen sie verfolgt werden und solchen, in denen sie geschützt sind, beobachtet. Dies ergab, dass eine übermäßige Bestandszunahme ohne Bejagung nicht eintritt (2). Rabenvögel regulieren sich selbst durch Revierkampf, Nahrungs- und Brutplatzkonkurrenz, die mit der Populationsdichte zunehmen. Auch durch Rabenvögel verursachte Schäden in der Landwirtschaft kommen nur vereinzelt vor. Meist handelt es sich dabei um angepickte Silofolien. Eine landesweite Erhebung über diese Schäden ist in NRW nach Auskunft der betreffenden Stellen nicht vorhanden (3).


Es ist an der Zeit, die Einstellung zu den Rabenvögeln zu überdenken

Sämtliche Gründe, die für die Notwendigkeit einer Bejagung herhalten müssen, sind nicht haltbar. In der Landwirtschaft verursachte Schäden können nur im Einklang mit der EU-Vogelschutzrichtlinie geltend gemacht werden, wenn diese nachweisbar, das heißt erfasst, sind. Der Abschuss "zur Abwendung erheblicher Schäden" darf nicht fortgeführt werden, solange es an einer genauen, landesweiten Erhebung von Ernteschäden mangelt. Da zudem inzwischen bewiesen werden konnte, dass ein Abschuss von Rabenvögeln nicht zum "Schutz der Tier- und Pflanzenwelt" beiträgt, ist eine weitere Bejagung schlicht rechtswidrig. Damit wird es Zeit, die Einstellung zu diesen Tieren zu überdenken. Statt der Rabenvögel sollte das eigentliche Problem bekämpft werden: Der allgemeine Artenschwund durch Zerstörung und Verarmung der Lebensräume.


dürfen weiter gejagt werden

  • Elster - Foto: Frank Derer

    Die Elster

    Die Elster ist einer der am weitesten verbreiteten Rabenvögel. Mittlerweile trifft man sie häufiger im Siedlungsraum als in der Kulturlandschaft. Mehr →

  • verliebte Krähen, Foto: Günter Reinartz

    Die Rabenkrähe

    Die Rabenkrähe ist wie der Kolkrabe vollkommen schwarz. Sie ist aber deutlich kleiner. Im Gegensatz zur Saatkrähe ist ihr Gesicht nicht nackt. Mehr →

dürfen nicht gejagt werden

  • Eichelhäher - Foto: Frank Derer

    Der Eichelhäher - Porträt eines tierischen ´Waldbauern´

    Der Eichelhäher besiedelt nicht nur fast alle Waldtypen, er spielt als ´Waldbauer´auch eine ganz besondere Rolle für das Ökosystem Wald. Mehr →

  • Kolkraben - Foto: Frank Derer

    Der Kolkrabe beeindruckende Stimme und Erscheinung

    Stimme, Körpergröße und eine Flügelspannweite von 1,20 m machen Kolkraben zur beeindruckendsten Erscheinung unter den heimischen Rabenvögeln. Mehr →

Quellen

1. Gerhard Kooiker: "Untersuchungen zum Einfluss der Elster Pica pica auf ausgewählte Stadtvogelarten in Osnabrück"; Die Vogelwelt 1991, Heft 6, S. 225-236
2. Jochen Bellebaum und Klaus Nottmeyer-Linden: "Gibt es eine Überpopulation von Elster, Rabenkrähe und Eichelhäher in Nordrhein-Westfalen?"; LÖBF-Mitteilungen 1/ 98, S. 29-34
3. Heiko Haupt: "Welche Gründe gibt es für die landesweite Jagd auf Rabenkrähe und Elster?"; Charadrius 36, Heft 3, 2000, S. 101-103
4. Elke Ditscherlein: "Norwegische Krähenmassenfallen und Nebelkrähenfallen"; Natur und Recht, 2003, Heft 9
5. www.nabu.de
6. Claus Mayr: "Der lange Weg zur Novelle des Jagdrechtes. Berichte zum Vogelschutz, Heft 40, 2003: 75 - 79.
7. Claus Mayr: 25 Jahre EG-Vogelschutzrichtlinie in Deutschland - Bilanz und Ausblick. Natur und Landschaft, 79. Jahrgang 2004, Heft 8: 364 - 370.
8. Rabenvögel-Gutachten der Universität Mainz (Prof. Dr. J. Martens) und der Universität Kaiserslautern (PD Dr. H.-W. Helb) / Rabenvögel Pro und Contra, Hans-Wolfgang Helb


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