Galläpfel – unbekannte Lebensgemeinschaften
NABU-Beobachtungstipp für den Herbst
Bevor Bäume und Sträucher bald ihre Blätter abwerfen lohnt es sich, noch einen Blick auf Eichen-, Buchen oder auch Rosenblätter zu werfen: Rotbackig wie Äpfel finden sich hier jetzt nicht selten bis zu kirschgroße kugelige Gebilde, manchmal auch größere zottelige Kugeln – die so genannten Gallen oder Galläpfel. Jetzt im Herbst ist die beste Zeit, einen Blick hinter die Kulissen dieser „Lebensgemeinschaft“ zu werfen, die den meisten kaum bekannt sein dürfte. Gallen sind abnorme Veränderungen von Pflanzenteilen wie Wucherungen, Verdickungen oder blasige Gebilde auf Blättern, an Stängeln oder Wurzeln, erklärt der Naturschutzbund NABU NRW. Die fleischigen, kugeligen oder zipfeligen Objekte sind das Werk von Bakterien, Fadenwürmern, Milben oder Insektenlarven.
Die Entwicklung von Pflanzenteilen wird umprogrammiert
Die kleinen Bauherren liefern dem Baum oder Strauch den Plan, wie das Haus auszusehen hat. An den eigentlichen Baumaßnahmen zur Errichtung der Galle beteiligen sie sich nicht, vielmehr zwingen sie die Pflanze mit Botenstoffen ihnen ein schützendes Dach über dem Kopf einzurichten, indem sie die Entwicklung von Pflanzenteilen umprogrammieren. Wer diese „Lebensgemeinschaft“ genauer kennen lernen wolle, sollte die Gallenbewohner züchten, so der NABU. Dazu eignen sich besonders gut die Gallen der Eichen-Gallwespe. Diese befinden sich auf der Unterseite von Eichenblättern und sind fast kirschgroß. Man sammle einige ein und gebe sie in ein Glasgefäß auf etwas feuchten Rindenmulch. Dieses wird dann mit feinmaschiger Gaze fest verschlossen. Feucht und kühl gehalten, schlüpfen im Februar mit etwas Glück die ameisenartigen, wenige Millimeter großen, geflügelten Eichen-Gallwespen.
Dabei handelt es sich ausschließlich um weibliche Wespen. Diese legen unbefruchtete Eier an Eichenknospen ab, aus denen sich eine kleine, knospenförmige Galle entwickelt. Aus diesen „Zwischengallen“ schlüpfen im späteren Frühjahr sowohl Weibchen und Männchen. Nach deren Paarung legen die Weibchen ihre Eier einzeln an die Blattunterseite junger Eichenblätter. Die daraus schlüpfenden Larven benetzen kleine Areale an den Blattrippen mit Speichel. Dieser enthält Wirkstoffe, die das Blatt veranlassen, rund um die Larven Gallen zu bilden. Im Inneren der Behausung entwickelt sich die Nachkommenschaft gut geschützt in einer Kammer. Vom Wirt werden die Larven bestens mit Nährstoffen versorgt. Im Herbst, wenn der Baum seine Blätter abwirft, segeln sie mit „Haus“ und „Grundstück“ sanft auf den Boden, wo sie sich verpuppen. Damit beginne der Zyklus von vorn, so der NABU.
Gallussäure zum Gerben von Leder
Ganz ohne Gegenwehr ergeben sich die Pflanzen allerdings nicht. Im Gallgewebe produzieren sie überdurchschnittlich viel Gerbstoffe, welche die Nährstoffversorgung der Larven blockieren. Daraufhin setzen die Larven ihrerseits Gegenmittel ein, welche die Gerbstoffe unschädlich machen. Die Pflanze verstärkt dann noch mal die Gerbstoffproduktion. Dies macht sich der Mensch zu Nutze: Der hohe Gerbstoffgehalt macht die Gallen zu einer geeigneten Quelle für die Gewinnung von Gallussäure, die auch heute noch zum Gerben von Leder verwendet wird. Aus Pflanzengallen wird auch die wertvolle Eisengallus-Tinte hergestellt. Sie ist absolut lichtecht und wird zum Unterzeichnen von Staatsverträgen benutzt.