Windkrafttagung 2012
Tagung von NABU und NUA gibt Einblicke in ein komplexes Themenfeld
10. November 2012 - Eine zentrale Säule der Energiewende in NRW ist der Ausbau der Windenergie. Seit Inkrafttreten des Windenergieerlasses in Nordrhein-Westfalen hat die Ausbauplanung der Windkraft entsprechend stark zugenommen. Zudem bescheinigt die kürzlich veröffentlichte ´Potenzialstudie zu den Erneuerbaren Energien´ des Landesumweltministeriums der Windkraft ein enormes Ausbaupotenzial in NRW. Auswirkungen auf den Natur- und Landschaftsschutz und insbesondere den Artenschutz sind dementsprechend zu erwarten. Ziel einer Tagung von NABU und NUA war es deshalb, dazu die aktuellen Ergebnisse aus Forschung und Wissenschaft zusammen mit Vertretern der unterschiedlichen Interessengruppen zu diskutieren. Das Interesse war groß, über 130 Vertreter von Naturschutzverbänden sowie aus Verwaltung und Unternehmen waren am 10. November nach Düsseldorf gekommen.
NABU: Ausbau naturverträglich
Zur Begrüßung machte Josef Tumbrinck, Vorsitzender des NABU NRW, deutlich, dass der NABU grundsätzlich hinter den Zielen der Landesregierung stehe, die Erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen auszubauen. Dass der Löwenanteil dabei auf die Windenergie entfalle, werde durch die Potenzialstudie zum Ausbau der Windkraft in NRW erneut deutlich. Der Druck auf Standorte, die aus naturschutzfachlicher Sicht bedenklich seien, würde damit weiter ansteigen. Hier sei das Land gefordert, bisher ungeklärte Fragen der Artenschutzproblematik nun dringend zu klären. Die Potenzialstudie begrüßte der NABU-Landeschef als ´differenzierte Informationsquelle, die eine erste Einschätzung ermögliche, wo sich potenzielle, aus Naturschutzsicht möglichst konfliktarme Standorte für Windkraftanlagen befinden könnten´. „Dies ersetzt aber nicht die für jeden Anlagenbau erforderliche Einzelfallprüfung“, erklärte Tumbrinck.
Stefan Wenzel, Sprecher des Landesfachausschusses Klima und Energie im NABU NRW erläuterte die Position des NABU ausführlicher. Beim Ausbau müsse das Repowering Vorrang vor einer Neuerrichtung der Anlagen haben. Der Ausbau müsse naturverträglich und die Umsetzung im Dialog erfolgen; das erfordere bei Neuanlagen die Durchführung einer vorherigen Artenschutzprüfung durch sachverständige und unabhängige Gutachter. Natura 2000-Schutzgebiete und wertvolle Waldgebiete müssten Tabuzonen sein. Auf Grundlage dieser Eckdaten habe der NABU, so Birgit Beckers (NABU-Vorstand), dem aktuellen Windenenergieerlass der Landesregierung zugestimmt. Um Belange des Artenschutzes zu berücksichtigen, sehen der Erlass und der Leitfaden Windenergie auch Mindestabstände zu naturschutzfachlich bedeutsamen Gebieten vor. Für den grundsätzlich möglichen Bau von Windenenergie in Wäldern seien besonders intensive Prüfungen erforderlich. Selbst ein naturferner Nadelwald könne dafür nicht in Frage kommen, wenn gefährdete Arten festgestellt oder es sich um eine Lage in einem Flusstal handeln würde. Birgit Beckers appellierte an die Betreiber, keinesfalls Anlagen in strittigen Gebieten durchzuboxen. Kritisch merkte sie an, dass „Ziel und Geist des Erlasses noch nicht von allen gelebt würden“.
LANUV: Potenziale für Ausbau vorhanden
Ziel der nordrhein-westfälischen Landesregierung sei es, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung deutlich auszubauen. Der Anteil des durch Wind erzeugten Stroms solle von derzeit 4% auf mindestens 15% bis zum Jahr 2020 gesteigert werden, 2025 sollen es 30 % sein. Nach der aktuell vom LANUV veröffentlichten Potenzialstudie liegen in NRW sehr gute Windverhältnisse für den Ausbau der Windenergie vor und auch ausreichend Fläche für das Erreichen der gesetzten Ausbauziele sei vorhanden, so Dr. Barbara Köllner (LANUV) bei der Vorstellung der Ergebnisse der Studie. Zugrunde lägen der Studie sämtliche NRW-weit verfügbaren Daten zu Raumnutzung, Winderträgen und –potenzialen. Die für die Studie neu berechneten Windfeldkarten in unterschiedlichen Höhen, zeigten, dass bereits ab einer Höhe von 125 m über Grund die meisten Flächen in NRW eine Windgeschwindigkeit von > 6 m/s aufweisen und damit gute Voraussetzungen für die Windenergienutzung mit modernen Anlagen bieten. Zudem wurden notwendige Abstände zu Wohnbebauung, Tabuflächen aus Sicht des Naturschutzes und konkurrierende Flächennutzungen berücksichtigt. So konnten landesweit sowie auf Ebene der Planungsregionen, Kreise und Gemeinden Flächen- und Ertragspotenziale ermittelt werden. Die Ermittlung der Potenziale selbst erfolgte mittels eines Szenarien-Ansatzes. Nach dem NRW-Leitszenario, dass die Nutzung von Nadelwald- und Kyrillflächen beinhaltet, , sei das vom Land gesetzte Ausbauziel von 28 Terawattstunden jährlich aus Windenergie bis 2025 realistisch und möglich. Allein aus dem Windparkpotenzial nach NRW-Leitszenario stünden laut Studie 39 Terawattstunden zur Verfügung. Allerdings, so räumte Dr. Barbara Köllner ein, sei es nun Aufgabe der Planungsträger lokale Aspekte und Daten in die weiteren Planungen mit einzubeziehen, um so vor Ort konkrete Flächen für die Windenergienutzung auszuweisen.
Artenschutz und Windenergie
Wie dabei auch die Belange des Artenschutzes konkret berücksichtigt werden, erläuterte Dr. Matthias Kaiser (LANUV). Wichtig sei es, im Planungsprozess frühzeitig mögliche Konflikte zu identifizieren und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Dafür könnten auch die Daten der Potenzialstudie herangezogen werden, denn Schwerpunktvorkommen windkraftsensibler Vogelarten wie Wiesenweihe, Schwarzsstorch oder Rotmilan seien eingearbeitet. Im Verfahren seien zudem spezielle Artenschutzprüfungen erforderlich. Besonderes Augenmerk liege dabei auf der Vögel-Kollisionsproblematik. Eine systematische Erfassung von Totschlagfunden wie beispielsweise in Brandenburg gäbe es für NRW bisher nicht. Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten sei aber zurzeit damit befasst auf der Grundlage der bisherigen Datenlage eine Liste zu erarbeiten, die unter anderem Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu Horsten windkraftsensibler Vogelarten festlegt. Danach ist beim Bau von Windkraftanlagen beispielsweise im Umkreis von 1500m um einen Rotmilanhorst zukünftig mit artenschutzrechtlichen Konflikten zu rechnen. Weiter verwies Dr. Matthias Kaiser darauf, dass zusätzlich zu den vorgeschriebenen Artenschutzprüfungen die FFH-Verträglichkeitsprüfung vorgeschrieben sei, sofern Schutzgebiete von europäischem Rang vom Bau einer Windkraftanlage betroffen seien. Hier wären dann umfangreiche naturschutzfachliche Untersuchungen erforderlich. Gerichte hätten bisher oft so entschieden, dass eine Beeinträchtigung sicher ausgeschlossen werden müsse, soll eine Anlage genehmigungsfähig sein. Auch außerhalb liegende Veränderungen dürften für keine Beeinträchtigung in FFH-Gebieten sorgen. Im Rahmen der Erstellung der Studie habe sich zudem gezeigt, dass eine verlässliche Einschätzung der Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Fledermäuse aufgrund mangelnder Datenlage gar nicht möglich sei. Dazu erarbeite das LANUV gerade einen Leitfaden, wie die Datenerhebung bei Fledermäusen methodisch zu erfolgen hat, um zu für den Windanlagenbau aussagekräftigen und nachvollziehbaren Daten zu kommen.
Im Folgenden führte der Zoologe Lothar Bach dieses komplexe Thema mit einem Überblick über bereits vorliegende wissenschaftliche Daten zu möglichen Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Fledermäuse weiter aus. Einen Überblick über die verfügbaren wissenschaftlichen Daten zum Problemfeld Vogelschutz und Windenergieanlagen gab Dr. Herrmann Höttker vom Michael-Otto-Institut des NABU. Verdrängung, Mortalität durch Kollision und Habitatverluste seien als mögliche negative Auswirkungen festzustellen. Arten reagierten allerdings sehr unterschiedlich. Als besonders betroffene Art identifizierte er den Rotmilan. Bei einem Ausbau der Windenergie sei ein negativer Trend der Bestandessituation beim Rotmilan zu befürchten. Beim Vogelschutz spiele die Standortwahl jeder einzelnen Anlage eine entscheidende Rolle.
Wo gibt es noch „unkritische Regionen“?
Aus Sicht der Anlagenbauer wird es immer schwieriger, geeignete „unkritische“ Flächen für den Bau von Windenergieanlagen zu finden. Für den Landesverband Erneuerbare Energien nahm Klaus Schulze Langenhorst dazu Stellung. Im Ziel sei man sich mit dem Natur- und Umweltschutz einig: Man wolle weg von der Atomkraft, weg von der klimaschädlichen Kohleverstromung und gemeinsam die erneuerbaren Energien voran bringen. Konkret fände man aber in NRW kaum Flächen und Standorte, die als unkritisch gegenüber Windenergie gelten könnten. Man dürfe auch die Ergebnisse der Potenzialstudie nicht überschätzen. Die dort nicht berücksichtigten, oft erforderlichen speziellen Artenschutzprüfungen und die dann geforderten pauschalen Abstände würden oft Anlagen in Frage stellen. Die grundsätzlichen Ziele und die mit dem Windenergieerlass und dem Leitfaden Wald gesetzten Rahmen gingen aber in die richtige Richtung.
Position der Landesregierung
„Wenn wir unsere Klimaschutzziele erfüllen wollen, dann muss NRW dazu einen ganz erheblichen Beitrag leisten“, so Udo Paschedag, Staatssekretär im NRW-Umweltministerium. NRW sei Kernland von Energieerzeugung und Energieverbrauch in Deutschland. Und es sei aufgrund der Struktur des Landes hier besonders schwer, ein Umdenken in Richtung Energieeinsparung, Energieeffizienz und dem Ausbau erneuerbarer Energien einzuleiten. Dennoch zeige die Potenzialstudie Wind, dass genügend relativ konfliktarme Flächen für den notwendigen Ausbau zur Verfügung ständen. Ein nächster Schritt sei jetzt die Absicherung über die Landesentwicklungsplanung. Wichtig sei es dann, die Planung in den Kreisen und Kommunen voran zu bringen. „Wir müssen die Gemeinden und die Menschen mitnehmen, denn die Planung geschieht vor Ort“.