Gewässern Raum geben
Forderungen zur NRW-Landtagswahl 2022
Wasser ist das wichtigste Lebensmittel. Es wird zur Deckung des menschlichen Bedarfs fast ausschließlich der Natur entnommen. Aquatische Ökosysteme sind gleichzeitig ein wichtiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere und bedeutsam für die Biodiversität. Ihr Schutz sollte daher ein besonderes Anliegen jeder Regierung sein.
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie bildet seit Dezember 2000 den rechtlichen Rahmen für die gesamte Wasserwirtschaft in der Europäischen Union. Im Kern verlangt die Richtlinie die Erreichung eines guten ökologischen und chemischen Zustands aller Oberflächengewässer sowie einen guten chemischen und mengenmäßigen Zustand des Grundwassers bis zum Jahre 2015. Doch bis heute sind mindestens 90 Prozent unserer Fließgewässerstrecken weiterhin so verunreinigt oder verbaut, dass sie die EU-weiten Standards nicht erfüllen. Von den Grundwasserkörpern, die insgesamt das flächenmäßig größte Ökosystem darstellen, sind mehr als die Hälfte in einem schlechten chemischen oder mengenmäßigen Zustand. Sie sind durch Nitrat, Pestizide und andere Fremdstoffe belastet und weitere Belastungen drohen. Der Klimawandel mit zunehmender Trockenheit führt in weiten Teilen des Landes zu sinkenden Grundwasserständen. Die steigende Entnahme von Grundwasser für Trinkwassergewinnung, durch Landwirtschaft und Industrie belastet diese zusätzlich. Als Folge davon nimmt die Schüttung vieler Quellen ab oder sie versiegen ganz.
Langfristig stabile und gesunde aquatische Ökosysteme müssen das Ziel jeder Politik sein, wobei die konsequente Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL einschließlich GWRL) eine Pflichtaufgabe ist. Dies gilt insbesondere unter dem Einfluss des Klimawandels.
Die Neubildung von Grundwasser in Nordrhein-Westfalen nimmt quer durch alle Regionen seit Jahren tendenziell ab und hat sich über den Zeitraum von 20 Jahren praktisch halbiert. In Teilen gab es zuletzt Jahre, in denen gar kein Grundwasser neu gebildet wurde. Dem steht ein wachsender Verbrauch auf Kosten der Ökosysteme gegenüber. Darüber hinaus kommt es zu zunehmenden ökonomischen Konflikten. Ein besonderes Problem bleibt die hohe Belastung des Grundwassers mit Nitrat, Pestiziden und sonstigen Rückständen menschlicher Beeinflussung (z. B. Medikamente und Mikroplastik). Die stärkste Belastung des Grundwassers geht von der industriellen Landwirtschaft aus.
Der Gewässerausbau hat zu einem weitgehenden Verlust natürlicher Gewässerstrukturen und Auengebieten geführt. Der Landschaftswasserhaushalt ist stark gestört (beispielsweise die Überflutungsdauer der Auenbereiche). Begradigung, Ufer- und Sohlausbau, Veränderung der Einzugsgebiete sowie Eindeichungen haben die Gewässerform gravierend beeinträchtigt und das Abflussgeschehen massiv beschleunigt. Zudem werden im Rahmen der laufenden Gewässerunterhaltung natürliche Strukturen (z. B. Totholz) aus den Gewässern ausgeräumt.
Eine Vielzahl von Querbauwerken (z. B. Wehre, Dämme) schränken die Wanderungen von Fischen und anderen aquatischen Tieren ein, während Wasserkraftanlagen (Turbinen) zusätzlich zu einer tödlichen Falle werden. Durch Kläranlagen und die Intensivlandwirtschaft werden die Fließgewässer wie auch alle anderen Oberflächengewässer mit Phosphat, Nitrat und anderen anthropogenen Stoffen belastet. Die Folge sind stark gestörte Lebensgemeinschaften.
Hinzu kommen Medikamentenrückstände, hormonell wirksame Stoffe und andere Mikroschadstoffe, die durch die Kläranlagen nicht zurückgehalten werden. Durch Renaturierungsmaßnahmen wurden einzelne Gewässerabschnitte ökologisch deutlich verbessert, der Nachholbedarf ist aber weiterhin sehr hoch.
Die Problematik der fortschreitenden Sohleintiefung auf wesentlichen Streckenabschnitten steht im Mittelpunkt. Sie gefährdet den international bedeutsamen Feuchtgebietskorridor der Rheinauen insbesondere am Unteren Niederrhein, aber auch die Lebensraumqualität des Stroms selbst. Ein weiterer Ausbau zugunsten immer größerer Schiffseinheiten ist wirtschaftlich und ökologisch kontraproduktiv: Er fördert weiter die nicht angepassten, übergroßen Schiffseinheiten und verdrängt die auch bei Niedrigwasser einsatzfähigen kleineren Schiffe. Dadurch wird die Verlässlichkeit der Wasserstraße als Transportachse geschwächt.
Wir fordern:
- den guten Erhaltungszustand unserer Gewässer und wasserabhängiger Ökosysteme sicherzustellen. Dabei sind Fließgewässer in einen guten ökologischen Zustand gemäß WRRL zu bringen
- die Verunreinigungen im Grundwasser zu stoppen: keine Pestizide und die Nitratmenge bis 2030 auf < 25 mg/l im Grundwasser reduzieren
- die Landesdüngeverordnung dringend zu überarbeiten und die Berechnung zur Definition von gefährdeten „roten Gebieten“ den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen
- die Entnahme von Grundwasser z. B. für die Landwirtschaft, die Industrie und den Gartenbau deutlich zu reduzieren
- für Fließgewässer einen Schutz der Uferbereiche (Gewässerrandstreifen) zu gewährleisten, der ihrer funktionellen Bedeutung für die Aue und als biotopvernetzende Struktur gerecht wird. Gewässerrandstreifen sind so weit zu fassen, i. d. R. 20 Meter, dass ein Eintrag von Sedimenten, Nährstoffen und Pestiziden (gerade aus der Land- und Forstwirtschaft) in das Gewässer verhindert wird
- eine Verbesserung des Landschaftswasserhaushaltes, die Entwässerung der Landschaft zu stoppen und Feuchtgebiete (Moore, Auwälder, Feuchtwiesen etc.) zu renaturieren
- alle Kläranlagen auf den Stand der Technik zu bringen
- die Durchgängigkeit von Fließgewässern wiederherzustellen: keine weiteren Genehmigungen von Wasserkraftanlagen
- einen konsequenten ökologischen Hochwasserschutz, d. h. Hochwasserrückhalteflächen als Lebensraum zu fördern (z. B. naturnahe Wälder) und frei von Nährstoffen zu halten, verbaute Auen und Ufer zu renaturieren, Deiche rückzuverlegen
- eine erneute Novellierung des Landeswassergesetzes nach ökologischen Kriterien
- keinen weiteren Ausbau des Rheins (Vertiefung der Fahrrinne) zugunsten immer größerer Schiffseinheiten
Unsere Forderungen zur NRW-Landtagswahl 2022
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