NABU und LBV küren Kormoran zum Vogel des Jahres 2010
Ungeliebter Fischfresser gehört zur heimischen Vogelwelt an Flüssen und Seen
09. Oktober 2009 - Der Naturschutzbund NABU und der Landesbund für Vogelschutz (LBV), NABU-Partner in Bayern, haben heute in Berlin den Kormoran zum „Vogel des Jahres 2010” gewählt. Die beiden Verbände setzen sich damit offensiv für den Schutz des Kormorans ein, der nach seiner Rückkehr an deutsche Seen, Flüsse und Küsten wieder zu tausenden geschossen und vertrieben wird. „Unter dem Vorwand eines „Kormoran-Managements“ haben nahezu alle Bundesländer, darunter auch Nordrhein-Westfalen, spezielle Kormoran-Verordnungen erlassen, die den bestehenden Schutz der Vögel untergraben“, erklärt Bernd Jellinghaus, Sprecher des Landesfachausschusses für Ornithologie und Vogelschutz im NABU NRW. Diese Verordnungen erlauben die flächendeckende Tötung von Kormoranen unabhängig von einem Schadensnachweis an Fischbeständen selbst in Naturschutzgebieten. „Die Bilanz ist beschämend: Jedes Jahr werden in Deutschland wieder rund 15.000 Kormorane getötet, allein in NRW über 4.000 Kormorane in der letzten Jagdsaison“, so Jellinghaus.
Jahrzehntelang war der Kormoran (Phalacrocorax carbo) aus Deutschland so gut wie verschwunden – das Ergebnis intensiver Verfolgung durch Fischer und Angler. Erst nach konsequentem Schutz durch die EG-Vogelschutzrichtlinie (1979) leben in Deutschland heute wieder rund 24.000 Brutpaare, davon mehr als die Hälfte in großen Kolonien nahe der Küste. Im Binnenland konzentrieren sich die Kormoranbestände auf die großen Flussauen an Elbe, Weser und Rhein. So findet sich die größte nordrhein-westfälische Kormorankolonie auf den Bislicher Inseln am Rhein.
Während sich die Kormoranbestände deutschlandweit stabilisiert haben, sind die Zahlen in NRW bereits wieder rückläufig. Wurde hier 2006 mit rund 1000 Brutpaaren der bisherige Höchststand erfasst, waren es 2009 nur noch 836 Brutpaare – das entspricht in etwa dem Brutpaarbestand von 2003. „Ob der Rückgang des Kormoran auf die seit 2006 wieder vom Ministerium erlaubte, nach Ansicht des NABU widerrechtliche Verfolgung dieses Vogels zurückzuführen ist oder ob hier auch natürlich Bestandesregulation eine Rolle spielt, lässt sich nur schwer beurteilen“, so der NABU-Vogelexperte. Gleichbleibende Abschusszahlen mit entsprechender Auswirkung auf die Population vorausgesetzt und die Landesregierung könne sich vielleicht schon in wenigen Jahren rühmen, dank Kormoranverordnung und -erlass diese Vogelart als Brutvogel in NRW wieder an den Rand der Ausrottung getrieben zu haben. Zumal der Druck der Angler- und Fischereiverbände, den Kormoran in Schutzgebieten zu verfolgen auch in NRW immer größer wird. Bisher konnten entsprechende Anträge zum Beispiel in Minden, Essen, Oberberg oder an der Sieg zum Teil nur über den Klageweg erfolgreich durch die Naturschutzverbände vereitelt werden.
Dabei sei die Rückkehr des Kormorans ein Erfolg für den Vogelschutz, auf den man stolz sein könne. Berufsfischer und Angler versuchten jedoch, die Vertreter von Politik und Behörden von angeblich massiven wirtschaftlichen Schäden und der Bedrohung einzelner Fischarten durch den Vogel zu überzeugen. Doch Kormorane vernichteten keine natürlichen Fischbestände und gefährdeten langfristig auch keine Fischarten. Vielmehr käme es darauf an, sich für die ökologische Verbesserung der Gewässer einzusetzen, um allen heimischen Fischen und Wasservögeln Lebensraum zu bieten. Jellinghaus: „Auch eine fischfressende Vogelarten wie der Kormoran ist ein natürlicher Bestandteil unserer Gewässerökosysteme und als solcher zu akzeptieren.“
Daher würden NABU und LBV eine flächendeckende Regulierung der Kormoranbestände auch grundsätzlich ablehnen. Denn es gäbe Alternativen. Eine zeitgemäße Strategie sei die Schaffung von Ruhezonen. So werden die Wasservögel an Orte gelenkt, an denen sie sich von reichhaltigen Fischbeständen ernähren können – dazu zählen größere Stillgewässer und Flüsse ebenso wie die Küste. Dadurch verringere sich der Druck auf Fischzuchtanlagen oder die Rückzugsräume seltener Fischar-ten. „An Fischzuchtanlagen bzw. in Zentren der Teichwirtschaft können gebietsweise Probleme durch den Kormoran auftreten“, räumt Jellinghaus ein. Dort müssten gemeinsam vor Ort Lösungen gefunden werden, wirtschaftliche Schäden durch Kormorane zu verhindern, ohne den natürlichen Bestand der Vogelart erneut zu gefährden. Fischteiche könnten z.B. durch das Überspannen mit weitmaschigen und gut sichtbaren Drahtnetzen sowie durch optisches und akustisches Vertreiben wirksam geschützt werden.
Der NABU-NRW fordere die NRW-Landesregierung daher auf, den Kormoran wieder ganzjährig zu schonen und die Bestandsentwicklung nach den Rückgängen der letzten Jahre erst einmal zu analysieren. „Mit der Ernennung des Kormorans zum Vogel des Jahres 2010 wollen wir zeigen, was getan werden kann, um Kormoranen und Fischern eine Zukunft an unseren Gewässern zu sichern. Der Umgang mit dem Kormoran ist ein Prüfstein für einen umsichtigen Artenschutz in Deutschland und Europa“, erklärt Jellinghaus.
Für Rückfragen:
Heinz Kowalski, stellv. Vorsitzender NABU NRW, Tel.: 0221-27 180-101