Lichtblicke und Stolperfallen für den Naturschutz
NABU NRW-Jahresbericht 2011: Deutliches Mitgliederwachstum sorgt für Rückenwind | Koalitionsvertrag aus Sicht des Naturschutzes gelungen
„Die Bestätigung der rot-grünen Landesregierung bei der zurückliegende Landtagswahl hat gezeigt, wie wichtig den Menschen auch Natur- und Umweltschutz sind. Der vor Kurzem unterzeichnete Koalitionsvertrag von SPD und Grünen trägt diesem Bedürfnis wie kein anderer bisher in Deutschland Rechnung“, erklärte Josef Tumbrinck, Vorsitzender des NABU NRW, heute bei der Vorstellung der Jahresbilanz für 2011 in Düsseldorf. Neben zahlreichen Lichtblicken, enthielte der Koalitionsvertrag aber auch einige Stolperfallen für den Naturschutz. Angesichts der Klimaerwärmung und des voranschreitenden Artensterbens dränge zudem die Zeit, Absichtserklärungen in konsequentes Handeln umzusetzen.
In praktisch allen Bereichen, habe sich die Regierungskoalition ambitionierte Ziele gesetzt. Eine ganze Reihe von Zielen ließe sich allerdings nur auf Bundesebene regeln oder erforderten ein Han-deln der EU. „Es ist aber richtig und wichtig, dass NRW hier seine Stimme erhebt, um etwas zu bewegen“, so Tumbrinck weiter. So sei beispielsweise für den nachhaltigen Schutz der Artenvielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen eine Änderung der europäischen Agrarförderpraxis unerlässlich.
Naturschutzpolitisch besonders bedeutsam sei aus Sicht des NABU zudem die in der jetzigen Legislaturperiode anvisierte Überarbeitung sämtlicher umweltrelevanter Gesetze. So stehe die Novellierung des Landschaftsgesetzes sowie des Landeswasser- und des Landesjagdgesetzes an. Das Landesforstgesetz soll zu einem Landeswaldgesetz weiterentwickelt werden, ´welches stärker an den Kriterien einer nachhaltigen Waldwirtschaft ausgerichtet ist`. „Bei allen Gesetzesnovellierungen wird sich im Detail zeigen, wie ernst es der Landesregierung tatsächlich mit der Weichenstellung hin zu mehr Naturschutz ist“, sagte der NABU-Landeschef. Auch das Klimaschutzgesetz werde wieder in den Landtag eingebracht und hoffentlich ohne Verwässerungen beschlossen.
Grundsätzlich unterstütze der NABU, auch die im Koalitionsvertrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien vereinbarten Ziele der Landesregierung. Allerdings wachse hinsichtlich des Ausbaus der Windkraft die Skepsis. Denn die Landesregierung lehne es ab, eine Steuerung zu den am besten geeigneten Standorten auf der Ebene der Regionalpläne zu favorisieren. Deshalb überplanten einige Kommunen gerade ihre Vorrangzonen mit dem Ziel, diese möglichst auf eigene Flächen zu legen. Auch das Land will dies für seine Flächen prüfen. Tumbrinck: „Ein fatales Signal, geht es doch dabei nicht um die am besten geeigneten Flächen, sondern um die Frage, wer der Eigentümer und damit finanzieller Profiteur ist. Hier werden wir notfalls auf dem Klageweg Wildwuchs eindämmen.“ Ausbauziele seien dadurch aber nicht gefährdet, denn geeignete Flächen gäbe es ausreichend und auch das Repowering bestehender Anlagen brächte noch einen enormen Leistungsschub.
Deutliche Kritik übte der NABU an der Formulierung zum geplanten Nationalpark im Teutoburger Wald. „Hier lässt die Koalition ein klares Bekenntnis vermissen. Ja, wir wollen diesen Nationalpark auf landeseigenen Flächen zeitnah verwirklichen, so müsste es im Koalitionsvertrag stehen. Stattdessen will man die Region weiter bei ihren Aktivitäten unterstützen“, sagte Tumbrinck. Alles in allem bliebe also auch bei einem aus Sicht des Naturschutzes gelungenen Koalitionsvertrag zukünftig für den NABU genügend zu tun, um aus Absichten Erfolge werden zu lassen und negative Entwicklungen möglichst schon im Keim zu ersticken.
Dazu zähle unter anderem die konstruktive Fortführung des Dialogs zwischen Wirtschaft und Naturschutz. Der DGB und der NABU hatten sich hierzu mit dem gesellschaftspolitischen Papier ´Die grüne industrielle Revolution in Nordrhein-Westfalen ist machbar´ 2010 erstmalig gemeinsam zur Zukunft des Industriestandortes NRW positioniert und so ein Zeichen gesetzt, den Industriestandort NRW zu erhalten und zu ökologisieren.
Der Erhalt der biologischen Vielfalt auch für die kommenden Generationen, sei im vergangenen Jahr wie in Zukunft das Kernanliegen des NABU. So setzte der NABU in 2011 unter anderem im Rahmen eines EU-Life-Projektes den bereits seit 25 Jahren praktizierten Schutz der größte Uferschnepfenpopulation in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit weiteren Projektpartnern erfolgreich fort und sicherte eine landesweit bedeutende Wochenstube für seltene Fledermäuse in Eitorf. In einem länderübergreifenden Projekt zum Schutz der Gelbbauchunken, das im Juli 2012 offiziell startet, engagiert sich der NABU NRW zukünftig für die Stärkung und Vernetzung von Gelbbauchunken-Vorkommen in Deutschland und trägt so zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt bei.
„Ganz besonders stolz sind wir auf unsere erfolgreiche Kinder- und Jugendarbeit, mit der wir die Basis legen für zukünftiges Naturschutzengagement“, erklärte Tumbrinck. So feierte die Naturschutzjugend (NAJU) in NRW im letzten Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum und dank eines neuen Regionalbetreuungskonzeptes konnten 20 neue Kinder- und Jugendgruppen gegründet werden. Gelungen ist auch der Einstieg des NABU NRW in die Koordination und Organisation des Bundesfreiwilligendienstes auf Landesebene – 150 BFD-Stellen konnten bis zum Jahresende im Naturschutz vermittelt werden.
Dass Themen wie die Energiewende oder der Schutz der biologischen Vielfalt die Menschen bewegen, zeigt nach wie vor die positive Mitgliederentwicklung des Verbandes. Über 3800 Mitglieder seien im vergangenen Jahr unter dem Strich hinzugekommen. Der NABU zählte demnach zum Jahresende 62.673 Mitglieder. Und dieser Trend halte weiter an. „Damit sind wir nach wie vor der mitgliederstärkste Umweltverband in NRW“, so Bernhard Kamp, Geschäftsführer des NABU NRW. „Hier zahlt sich das langjährige Engagement in der Region und vor Ort aus. Wir reden nicht nur, wir handeln. Das erkennen immer mehr Menschen an und unterstützen uns.“ Und auch bei den Finanzen gebe es Positives zu vermelden: Der Landesverband schloss das Finanzjahr 2011 mit einem deutlichen Überschuss von 35.128 Euro ab.
Erfreulich sei auch die weitere Entwicklung der NABU-Stiftung Naturerbe NRW verlaufen. So wuchs das Vermögen auf 580.502 Euro zum Jahresende 2011 an, über 12.000 Euro kamen als Förderleistung der Natur und Umwelt zugute. „Fast wichtiger noch als der finanzielle Zuwachs ist die Tatsache, dass zwei neue Naturschutzfonds unter dem Dach der Stiftung gegründet wurden und von der gemeinsamen Geldanlage und Verwaltung profitieren“, so Kamp weiter. Neu hinzu kamen im Jahr 2011 der regionalen Fonds der NABU-Gruppe Recklinghausen sowie erstmals ein von einer Privatperson gegründeter Stiftungsfonds, der die Umweltbildung von Kindern fördert. Insgesamt werden nun 19 Fonds unter dem Dach der Stiftung geführt.
Von der Förderung durch die NABU-Stiftung Naturerbe NRW profitierten lokale und regionale Projekte der Fondshalter, wie etwa in Köln oder Euskirchen. Erstmals stand der NABU-Naturschutzstation Haus Wildenrath ein Ertrag aus den Zustiftungen der Obstbaumpatenschaften für den Rheinischen Obstsortengarten zur Verfügung. In Recklinghausen hat die NABU-Stiftung die Einrichtung eines Boden- und Wasserlabors für Kinder in einem mobilen Bauwagen gefördert. Neben der Pacht für eines der bedeutendsten Fledermaus-Winterquartiere im Münsterland hat sich die Stiftung zudem mit einem Förderbetrag beim Edelkrebsprojekt NRW im Artenschutz engagiert.