Zeitzeugin - Elke Brandt
Stellvertretende Vorsitzende des NABU-Bezirksverbandes Ruhr
Da war ein Vogel, der aussah wie ein Spatz, aber doch nicht aussah wie ein Spatz, weil Gefieder und Schnabel abwichen. Wer konnte mir da weiterhelfen? Verwandte gaben mir den Tipp: „Da musst du Fritz Pade fragen, der kennt alle Vögel.“ Gesagt, getan. Pade lieh mir ein Vogelbuch, und ich stellte zu Hause fest, dass es sich um eine Heckenbraunelle handelte. Ab dem folgenden Frühjahr nahm ich regelmäßig an Pades vogelkundlichen Führungen und Vorträgen in Mülheim teil.
Im Laufe der Zeit bekam ich drei Bücher von Fritz Pade geliehen. Zwei von Konrad Lorenz und eines, welches mich stark beeinflusste, das 1962 von Rachel Carson erschienene Buch „Der stumme Frühling“. Ich beschloss, mich zu engagieren. Die Akzeptanz meines Engagements neben meiner Berufstätigkeit war sehr unterschiedlich. Im ehrenamtlichen Bereich wurde es angenommen, im Beruf wurde es zuerst belächelt, dann toleriert und erst später ernst genommen. Mein Vorruhestand ab 1998 ermöglichte es mir, mehr Zeit für den NABU Ruhr zur Verfügung zu haben. Die nach und nach eingebrachte Zeit kommt fast einer Vollzeitstelle gleich.
Als Fritz Pade ab Ende 1962 aus gesundheitlichen Gründen keine vogelkundlichen Wanderungen mehr durchführen konnte, wurde ich 1963 Mitglied im „Verein der Essener Vogelfreunde“, um weiter Kontakt mit aktiven Vogelkundlern pflegen zu können. Im Vorstand des Vereins waren neben ehrenamtlichen Aktiven auch hauptberufliche Ornithologen vertreten, Basis für eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen dem ehrenamtlichen und dem hauptberuflichen Naturschutz.
Eine erfolgreiche Zusammenarbeit erlebte ich auch im von Dr. Winfried Przygodda gegründeten „Ornithologischen Arbeitskreis Essen“ zwischen hauptberuflichen und ehrenamtlichen Vogelkundlern. Unter seiner Leitung erschien 1988 das Buch „Die Vögel von Essen und Mülheim“, eine Avifauna mit Angaben zu allen hier nachgewiesenen Vogelarten. Grundlage waren die über viele Jahre zusammengetragenen Beobachtungen aller Beteiligten. Es war eine der ersten Arbeiten dieser Art in Deutschland.
Im Jahr 1975 wurden Herbert Winnesberg und ich vom DBV-Landesverband als Vertreter für den Beirat bei der Unteren Landschaftsbehörde in Mülheim benannt. Über diese Tätigkeit entstand der Kontakt zur Volkshochschule Mülheim, für die ich ab 1979 vogelkundliche Wanderungen in Mülheim durchführte. Mit großer Unterstützung des Landschaftsbeirates wurde nach über zehnjährigen zähen Verhandlungen erreicht, dass „Kocks Loch“ als erstes Naturschutzgebiet im Landschaftsplan der Stadt Mülheim ausgewiesen wurde.
1986 wurde ich als stellvertretende Naturschutzwartin in den Vorstand des NABU Ruhr gewählt und 2002 zur zweiten Vorsitzenden. Ermutigt durch den damaligen Schriftführer Willy Biesenbaum übernahm ich ab 1986 regelmäßig vogelkundliche Führungen für den NABU Ruhr in Essen und Mülheim. Ab 1987 arrangierte ich gemeinsame Tagestouren zu vogelkundlichen und naturkundlichen Themen für den NABU Ruhr, die Volkshochschule Mülheim und die „Gesellschaft für Natur- und Heimatkunde“. Ab 1988 übernahm ich auch die weitere Programmplanung des NABU Ruhr. Ergänzt wurde das Programm ab 2001 um Mehrtagestouren zu Nationalparks und Naturschutzgebieten in Deutschland, die ich organisierte und leitete. 2006 musste die Volkshochschule Mülheim aus finanziellen Gründen die Zusammenarbeit mit dem NABU Ruhr beenden. Auf kostenfreier Basis arbeiten wir aber weiter mit der Volkshochschule zusammen.
Von Anfang an beteiligte ich mich an praktischen Einsätzen. Überwiegend aktiv bin ich bei saisonalen Terminen, von denen hier nur zwei erwähnt werden sollen. Von 1982 bis 2010 half ich mit bei der Betreuung von Krötenzäunen und -schranken in Mülheim. In den letzten Jahren unterstütze ich die Pflege, Versorgung und Aufzucht von verletzten und aus dem Nest gefallenen Vögeln. Dies erfordert spontane und flexible Einsatzzeiten, die Berufstätigen nicht möglich sind.
Politiker müssen erkennen, wie groß ihre Verantwortung gegenüber der Natur und Umwelt ist.
Elke Brand
Zwei Schwerpunkte bei meinem Engagement im NABU Ruhr sind mir besonders wichtig: die Vermittlung von Grundkenntnissen an interessierte Menschen, damit sie verstehen, wie wichtig der Erhalt einer intakten Natur und Umwelt ist – und an Politiker und Verwaltungsexperten, damit diese erkennen, wie groß ihre Verantwortung gegenüber der Natur und Umwelt ist.
Viele Menschen, die heute zu unseren aktiven Mitgliedern gehören, haben durch meine Veranstaltungen zum NABU Ruhr gefunden. Sie sind in den unterschiedlichsten Bereichen tätig. Mein Engagement ist allerdings nur in diesem Umfang möglich, weil ein Team hinter mir steht, das mich immer unterstützt hat. Ich wünsche mir, dass ich für diese Aufgaben noch lange im NABU aktiv sein kann.
(August 2013)
NABU-festschrift
Auf 336 reich bebilderten Seiten wird nicht nur die Geschichte des NABU NRW, sondern auch die der Umweltpolitik in NRW dokumentiert. Zahlreiche Zeitzeugen blicken auf Erfolge und Niederlagen, nehmen aber auch aktuelle und künftige Herausforderungen in den Fokus. Mehr →