Zeitzeuge - Karl-Heinz Albrecht
Stellvertretender Vorsitzender des NABU-Kreisverbandes Unna
Ein Drittel unseres Grundstücks besteht aus einem Obst- und Gemüsegarten. Schon in den 1950er-Jahren habe ich beim Umsetzen des Komposthaufens darauf gewartet, dass sich ein Rotkehlchen auf den abgestellten Spaten setzte. Ich entfernte mich dann einige Meter. Sofort begann die Futtersuche im Kompost. In dieser Zeit habe ich auch die ersten Nistkästen für Meisen gebaut.
Seit den 1970er-Jahren verband ich meine kommunalpolitischen Interessen als Mitglied des Umweltausschusses des Rates der Stadt Unna mit meinen Aktivitäten im und für den DBV. So habe ich mich im Stadtrat dafür eingesetzt, die in Ackerland umgewandelten Wegränder für die Natur zurückzuholen. Beispielsweise befand sich ein Feldweg im Besitz der Stadt Unna und wurde seit Jahren von einem Anlieger landwirtschaftlich genutzt. In einem Antrag an den Stadtrat legte ich dar, wie wertvoll selten benutzte Feldwege und Wegränder für wild lebende Tiere und Pflanzen sind. So könnte dort zum Beispiel eine Benjeshecke oder eine Hochstaudenflur angelegt werden. Wegen der hohen Kosten wurde es jedoch vermieden, derartige umgepflügte Wegränder und -parzellen amtlich vermessen zu lassen. Daher bot ich an, die Parzelle zu kaufen und auch die Vermessungskosten zu übernehmen.
Der Kauf dieses Feldweges und die Renaturierung der Wegränder kamen – wie erwartet – nicht zustande, er war aber der Startschuss für den zukünftigen Landerwerb. Das erste, 2.400 m2 große Grundstück für den Naturschutz wurde von den NABU-Mitgliedern Hans-Jürgen Liesem, Herwig Rabeneck und mir am 8. April 1988 erworben. Unsere kurz darauf gegründete Stiftung „Ökozelle am Ahlbach“ hatte das Ziel, Land für den Natur- und Landschaftsschutz im heimischen Raum zu kaufen und hierfür Geldspenden zu sammeln. Seit der Gründung der Stiftung haben über 1.180 Einzelspenden und die NABU-Mitgliedsbeiträge einen Geldbetrag in Höhe von über 180.000 Euro erbracht. Mit den Eigenmitteln, Naturschutzfördermitteln des Landes und Geldern der NRW Stiftung konnten bisher rund 32 ha Land auf 23 Grundstücken erworben werden.
Die Idee der Ökozelle entstand bereits mehrere Jahre vor der Stiftungsgründung. Gemeinsam mit dem langjährigen Vorsitzenden des DBV/NABU-Kreisverbandes Unna, Dr. Josef Cornelissen, wurde 1981 die erste Ökozelle in Mühlhausen geschaffen. Ein etwa 2.500 m2 großes Stück Feuchtwiese, das einem Landwirt gehörte, wurde angepachtet. Den Anstoß dazu gab die Unnaer Krötenschutzgruppe. Schon nach kurzer Zeit waren mehrere Holz- und Steinhaufen angelegt, Kopfweiden und Erlen gepflanzt, ein großer Tümpel ausgehoben sowie viele Wildpflanzen in die Erde gebracht.
Bald war uns das alles viel zu wenig. Die Ökozelle wurde 1984 auf 6.600 m2 vergrößert, und in Zusammenarbeit mit dem Umweltamt des Kreises Unna errichteten wir auf der neuen Fläche einen zweiten Tümpel.
Immer mehr Menschen begeisterten sich für unsere Idee. Vor allem im Sommer wurde unsere Ökozelle von vielen Schulklassen, Spaziergängern und zahlreichen Organisationen besichtigt.
Karl-Heinz Albrecht
Ein Höhepunkt wurde erreicht, als im Herbst 1985 der DBV Unna eine 26.000 m2 große Feuchtwiese mit zwei großen Quellen von der Stadt Unna pachtete. Auch dieses Gelände wurde zu einer Ökozelle (Feuchtwiese mit großem Teich) gestaltet. Beide Ökozellen sind nur etwa 300 Meter voneinander entfernt und liegen unmittelbar am Mühlbach. Außerdem grenzen sie an weitere naturnahe Flächen, sodass keine Verinselung zu befürchten ist. Im Jahr 1980 rief ich den jährlichen „Tag der Weide“ ins Leben. Bis 2011 wurden in Mühlhausen/Uelzen insgesamt 1.119 Weiden geschneitelt und 405 Weiden gepflanzt. Die Anzahl der jährlichen Teilnehmer betrug zunächst 40 und steigerte sich dann allmählich auf 120. Seit 2008 stehen vor allem die Neuanlage und Sanierung von Teichen, die Renaturierung von Bachläufen und die Anlage von Schilfflächen auf der Tagesordnung.
Viele Jahre war ich Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender des NABU Kreisverbandes Unna. Seit 1984 bin ich Landschaftswächter und seit 1986 Mitglied im Landschaftsbeirat des Kreises Unna. Was bringt die Zukunft? Mein Alter ist nicht zu leugnen. Deshalb wird zukünftig auf etwas kleinerer Flamme gekocht. Der letzte Satz in der Hausarbeit meiner Tochter Susanne im Rahmen der ersten Staatsexamensprüfung lautet: „Mit dieser Arbeit wurde außerdem der Versuch unternommen, einen Biotopverbund mit allen positiven Auswirkungen für Tier- und Pflanzenwelt und somit auch für die Menschen darzustellen, aber auch die Grenzen, die es bei seiner Durchführung zu beseitigen gilt, aufzuzeigen.“ In diesem Sinne möchte ich in Zukunft noch ein wenig weiterarbeiten.
(Februar 2012)
NABU-festschrift
Auf 336 reich bebilderten Seiten wird nicht nur die Geschichte des NABU NRW, sondern auch die der Umweltpolitik in NRW dokumentiert. Zahlreiche Zeitzeugen blicken auf Erfolge und Niederlagen, nehmen aber auch aktuelle und künftige Herausforderungen in den Fokus. Mehr →