Zeitzeugin - Giesela Wartenberg
Vorsitzende des NABU-Kreisverbandes Rhein-Erft
Später am Gymnasium wurde Biologie mein Wahlfach. Nach dem Lehramtsstudium erhielt ich meine erste Stelle als Volksschullehrerin in einer zweiklassigen Zwergschule bei Paderborn. Nach einigen weiteren Stellen in Westfalen zog ich 1972 mit meinem in Köln-Mülheim berufstätigen Ehemann nach Bergisch-Gladbach. Dort nahmen wir aus eigener Initiative Kontakt zum DBV auf.
Bis 1978 blieb ich passives Mitglied des DBV. Dies änderte sich schlagartig, als wir in den Erftkreis zogen. Knapp vier Wochen nach dem Umzug begann hier eine Flurbereinigung, bei der es nur um die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ohne Rücksicht auf die wild lebende Flora und Fauna ging. So lernte ich Manfred Stock, den Vorsitzenden des DBV Kreisverbandes, kennen, der mich sofort zur DBV-Ansprechpartnerin für Erftstadt ernennen wollte, was ich aber wegen fehlender Kenntnis der lokalen Gegebenheiten zunächst ablehnte. Auch wenn der Kampf gegen die Missstände der Flurbereinigung vergeblich war, entwickelte sich daraus eine Ortsgruppe, die ab 1982 unter Leitung von Else Bandilla regelmäßig tagte.
Im Jahr 1983 folgte ich dem an mich gerichteten Wunsch, die Leitung der Ortsgruppe Erftstadt zu übernehmen, wodurch ich gleichzeitig Mitglied des Kreisvorstandes wurde. Dabei konnte ich mich auf meinen Mann verlassen, der mein Engagement für den Naturschutz stets mittrug. Das erste Vorzeigeprojekt der Ortsgruppe wurde die 4 ha große ehemalige Kiesgruppe Hexenberg, die gegen die Konkurrenz von geplanten Sportaktivitäten durch einen 1986 mit der Stadt abgeschlossenen Pachtvertrag für den Naturschutz gerettet werden konnte.
Nachdem sich Manfred Stock nach 22 Jahren aus dem Vorstand des NABU-Kreisverbandes Rhein-Erft verabschiedet hatte, wurden 1993 Karl-Heinz Jelinek zum Vorsitzenden und ich zu seiner Stellvertreterin gewählt. Besonders beschäftigte mich im Jahr 1996 eine Ausstellung im Kreishaus anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des NABU-Kreisverbandes. Der künstlerische Beitrag stammte von Jo André Stallmayer, für den naturkundlichen und chronologischen Beitrag war ich weitgehend zuständig. Auch an weiteren Ausstellungen – etwa zum Thema Wald – beteiligte ich mich.
Ein den Kreisvorstand stark in Anspruch nehmendes Thema war das Projekt Golfplatz Gymnich, das im Stil einer Disneyland-Anlage geplant war. Nach langen Diskussionen in einem Arbeitskreis unter Beteiligung der NABU-Vertreter und des Investors wurde eine Gestaltung im Sinne des Landschaftsschutzes entwickelt. Aber dann wechselten die Investoren, bis es zu einer Insolvenz kam. Der halb fertige Golfplatz blieb zurück, mit stark gestörten Böden. Ende 2005 wurde das Gelände für rund 1,5 Millionen Euro vom Kreis erworben, um als Ausgleichsfläche für einen Eingriff in ein Gebiet zu dienen, das die Naturschutzverbände als FFH-Gebiet gemeldet hatten. So ermöglichte der NABU eine Renaturierung der Erftaue bei Gymnich.
Ab Anfang der 1990er-Jahre beschäftigte uns das große Projekt der Folgenutzung des vom belgischen Militär geräumten Munitionsdepots im Friesheimer Busch. Ein Unternehmer wollte die Fläche zum Kiesabbau nutzen. Der NABU sammelte dagegen rund 1.000 Unterschriften, verbunden mit der Forderung nach einem Umweltzentrum. Auf Basis der Kartierungen, die der NABU seit 1994 von der reichhaltigen Flora und Fauna durchgeführt hatte, stellte der Kreis 1996 das Gelände unter Naturschutz. Zwei Jahre später wurde auch das Umweltzentrum verwirklicht. Es wird seit 1998 vom Trägerverein „Umweltnetzwerk Erftstadt“ betrieben, in dem der NABU eine herausragende Position hat.
Als Highlight für Erftstadt hat sich das früher jährlich, jetzt alle zwei Jahre stattfindende‚ NABU-Obstwiesenfest mit dem Tag der alten Nutztierrassen‘ entwickelt.
Gisesela Wartenberg
Im Jahr 2001 wurde ich zur Vorsitzenden des NABU-Kreisverbandes Rhein-Erft gewählt. Ich wurde auch Mitglied im Hauptausschuss des NABU-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen. Ein herausragendes Ereignis meiner Zeit als Vorsitzende war Anfang 2003 die Gründung der „NABU-Naturschutz- und Landschaftspflegestation“ (LPS). Die Station ist – unter der Leitung von Hartmut Kaftan – ein landwirtschaftlicher Betrieb, der unter anderem aus dem Kulturlandschaftsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wird. Er bewirtschaftet etwa 50 ha. Außerdem hält die Station eine Herde von NABU-eigenen Schafen und Ziegen. In der Station sind zahlreiche ehrenamtliche Helfer tätig. Als „Highlight“ für Erftstadt hat sich das früher jährlich, jetzt alle zwei Jahre veranstaltete „NABU-Obstwiesenfest mit dem Tag der alten Nutztierrassen“ entwickelt. Es wird mit städtischer Unterstützung im Wesentlichen vom NABU-Kreisverband allein getragen und kann mit jeweils rund 6.000 Besuchern rechnen.
(Januar 2012)
NABU-festschrift
Auf 336 reich bebilderten Seiten wird nicht nur die Geschichte des NABU NRW, sondern auch die der Umweltpolitik in NRW dokumentiert. Zahlreiche Zeitzeugen blicken auf Erfolge und Niederlagen, nehmen aber auch aktuelle und künftige Herausforderungen in den Fokus. Mehr →