NABU kritisiert Gänsejagd in NRW scharf
Störung und Abschuss seltener Vogelarten in Schutzgebieten nicht hinnehmbar
21. Juli 2010 - Seit dem 16. Juli darf in NRW außerhalb von Naturschutzgebieten wieder vorzeitig auf hier brütende Grau-, Kanada- und Nilgänse geschossen werden. Bei der Jagd auf Gänse in unmittelbarer Nähe des Naturschutzgebietes Bislicher Insel, das über NRW hinaus für seine seltenen Brutvogelbestände vor allem an Wat- und Wasservögeln bekannt ist, wurde jetzt ein Löffler angeschossen und schwer verletzt. „Seltenste Vögel sind selbst in eigens dafür eingerichteten Naturschutzgebieten nicht mehr sicher vor Abschuss. Das ist ein herber Rückschlag für den Artenschutz hier in NRW, den die Vorgängerregierung zu verantworten hat“, erklärt Helmut Brücher, Sprecher des Landesfachausschusses Naturschutz und Jagd beim NABU NRW.
Die Befürchtung, dass es bei der Ausübung der Gänsejagd insbesondere an der Grenze zu Schutzgebieten zu erheblichen Störungen bis hin zum Abschuss von anderen, zum Teil gefährdeten oder selten Arten kommen kann, hatte der NABU bereits anlässlich der letzten Änderung des Landesjagdgesetzes Anfang des Jahres mehrfach geäußert. In diesem Zusammenhang erfolgte auch die vom NABU scharf kritisierte, bundesweit einmalige Ausdehnung der Jagdzeit in die noch andauernde Brutzeit hinein. Dass dies aus arten- und tierschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig ist, darüber setzte sich das für die Änderung zuständige Umweltministerium einfach hinweg. „Völlig unerträglich und unwaidmännisch ist aber, dass die Jäger offenbar auch nicht gewillt sind, im Einzugsbereich solcher Vogelparadiese wie der Bislicher Insel rücksichtsvoller zu handeln“, so Brücher weiter.
Zumal der Abschuss von Gänsen aus Sicht des NABU überhaupt nicht geeignet ist, das ´Problem´ landwirtschaftlicher Schäden und von Kot an Seeufern zu lösen. „Statt die Bekämpfungsmöglichkeiten immer weiter aufzustocken, ist es sinnvoller sich mit diesen Arten zu arrangieren“, sagt der NABU-Jagdexperte. Dazu sei zunächst ein mehrjähriges landesweites Monitoring der ´Problemarten´ Kanada-, Grau- und Nilgans erforderlich, das beantworte, wie sich die Bestände entwickelten, welche wirklichen Schäden einträten und wie man diese begrenzen könne. „Alle bisher von den Jägern und der Landwirtschaft beantragten und teilweise umgesetzten Vorschläge zur Vergrämung und Bestandesregulierung bringen lediglich mehr Störungen in Landschaft und Schutzgebiete und sind langfristig nicht erfolgreich“, so Brücher. Damit würden nur lokale und zeitlich begrenzte Veränderungen von Gänsebeständen erreicht, die sich anderenorts oder zeitlich verschoben wieder ausglichen.
Der NABU NRW erwartet daher, dass die Gänsejagd bis zu einer grundlegenden Novellierung des Landesjagdgesetztes umgehend ausgesetzt wird. In Rahmen der Novelle sei dann unter anderem die Jagd auf Wasservögel in Naturschutz- und EU-Vogelschutzgebiete zu verbieten und ein umfassender Gänsemanagementplan, der sich an den Bedürfnissen der Gänse orientiere, aufzustellen. Die Bejagung außerhalb der Schutzgebiete müsse zudem auf einen kurzen Zeitraum reduziert werden und die Brutzeit der bejagten Arten ausnehmen. Nur so ließen sich Störungen auf ein Minimum reduzieren und die Aufzucht der Jungen ermöglichen.
Im Falle des angeschossenen Löfflers auf der Bislicher Insel am Niederrhein hat der NABU Kreisverband Wesel wegen Straftat nach dem Bundesnaturschutzgesetz bereits vorgestern Anzeige erstattet.
Für Rückfragen:
Helmut Brücher, LFA Naturschutz und Jagd, mobil: 0172 31 40 992