Hände weg vom Grünland-Umbruchverbot
Landwirtschaft muss sich stärker für den Erhalt artenreichen Grünlandes einsetzen
19. Mai 2020 - Die kürzlich vom westfälisch-lippischen Landwirtschaftspräsidenten Hubertus Beringmeier im Interview geäußerte Forderung, das Umbruchverbot für Grünland zu lockern, um die Futtermittelproduktion für Tiere in Trockenjahren verbessern zu können, stößt auf wenig Verständnis beim NABU NRW. „Dank der seit 2011 geltenden Grünlandverordnung konnte der Verlust weiterer Dauergrünlandflächen in den beiden vergangenen Jahren offensichtlich gestoppt werden. Doch ein Grund zur Freude ist dies kaum, handelt es sich doch lediglich um eine Stabilisierung auf sehr niedrigem Niveau nach jahrzehntelangem Rückgang.“, beklagt Dr. Heide Naderer den landesweiten Zustand. Zudem sei die Qualität der verbliebenen, besonders schutzwürdigen artenreichen Wiesen weiterhin deutlich gesunken. „Statt weniger bräuchten wir also definitiv mehr und artenreicheres Grünland.“
Eine Lockerung des Umbruchverbotes sei daher unter Natur- und Artenschutzaspekten völlig indiskutabel. Vielmehr müsse sich die Landwirtschaft fragen lassen, welchen deutlichen Beitrag sie zum Schutz des Grünlandes in NRW zukünftig leisten wolle, um die heimische Artenvielfalt nicht noch mehr zu gefährden. Lediglich 27, 6 Pozent (Stand 2017) der gesamten Grünlandfläche Nordrhein-Westfalens sei noch artenreich. Dabei sei artenreiches Grünland in der ´Normallandschaft´ kaum noch zu finden. Vielfach beschränkten sich deren Vorkommen im Tiefland auf Naturschutzgebiete, während es um die Bergmähwiesen noch etwas besser bestellt sei.
Noch gravierender sei aber die Tatsache, dass die Qualität der artenreichen Wiesen und Weiden in den nordrhein-westfälischen Schutzgebieten von europäischem Rang sowohl in den Mittelgebirgsregionen als auch im Tiefland weiter massiv abnimmt“, so Naderer weiter. So gingen im Zeitraum von 1994-2018 allein im NATURA 2000-Gebiet „Hetter – Millinger Bruch“ am Unteren Niederrhein 90% der artenreichen Flachlandmähwiesen verloren. Die aktuelle Entwicklung ließe sich mit „Grasacker statt Blumenwiese“ beschreiben. Flächen, die formal als Grünland gelten, würden mit Pestiziden behandelt, alle paar Wochen mit riesigen Kreiselmähern gemäht und mit regelmäßigen Gülle-Duschen gedüngt – und das in Naturschutzgebieten. Vor dem Europäischen Gerichtshof stehe jetzt eine Anklageerhebung wegen unzureichender Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Deutschland kurz bevor.
Bund und Länder müssen deshalb jetzt dringend konsequenter handeln, damit Schutzgebiete auch wirklich ihre Funktion erfüllen können. Für den Erhalt und Schutz blühender Wiesen und Weiden seien dazu spezielle Förderprogramme für Landwirte notwendig, die diesen Lebensraum pflegen wollen. Solche Programme existierten zwar bereits, seien aber meist mit zu wenig Geld ausgestattet. „Und in Naturschutzgebieten muss gelten: kein Gift, weniger Dünger und weniger Tiere pro Fläche. Andernfalls wird der Begriff Naturschutzgebiet ad absurdum geführt“, erklärt die NABU-Landesvorsitzende.
Es müsse alles daran gesetzt werden, das ökologisch wertvolle Grünland konsequent zu erhalten und gemeinsam Modelle für eine naturverträgliche Nutzung zu entwickeln, denn Wiesen- und Weidelandschaften haben eine überaus hohe Bedeutung für den Erhalt der biologischen Vielfalt sowie den Gewässer-, Boden- und Klimaschutz. Naderer: „Die Forderungen des WLV zeigen dagegen nur, dass seine Bekundungen zum Naturschutz nur wohlfeile Worte sind und eine Volksinitiative NRW, die mehr gesetzlichen Artenschutz fordert, dringender denn je ist.“
BUND, LNU und NABU kündigten heute eine Volksinitiative Artenvielfalt an. Trotz dramatischen Artenrückgangs zeige die Landesregierung keinerlei Ansätze für eine konsequente Naturschutzpolitik. Hier hilft nur Druck von außen. Mehr →