Feldzug gegen Insekten stoppen
Bioziden gegen den Eichenprozessionsspinner sind ökologisches Desaster
08. Mai 2020 - Aktuell findet landauf, landab in Kommunen und Gemeinden sowie entlang von Straßen und Radwegen ein beispielloser Feldzug gegen den Eichenprozessionsspinner (EPS) statt. Meist werden dabei mit Sprühkanonen oder vom Hubschrauber aus großflächig Eichenbestände mit Bacillus thuringiensis, einem biologischen Pflanzenschutzmittel besprüht, das im Magendarmtrakt der Raupen ein Gift freisetzt. Doch nicht nur die Raupen des Eichenprozessionsspinners werden so getötet, auch zahlreiche andere Insekten fallen der biologischen Keule zum Opfer.
Der NABU NRW kritisiert den großflächigen Einsatz dieser Pflanzenschutzmittel und fordert verstärkt auf mechanische Bekämpfungsmöglichkeiten, wie Absaugen der Raupennester, zu setzen. Denn nur diese Maßnahme sei der sichere Weg, die Bevölkerung vor dem in den Härchen der Raupen befindlichen Allergen zu schützen. Bei totgespritzten aber noch an den Eichen befindlichen Raupen sei die Allergiegefahr dagegen immer noch gegeben.
Seit Ende April 2020 liegt ein vom Umweltministerium NRW behördenübergreifend erarbeiteter Leitfaden zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners vor, der auch mechanische Bekämpfungsmöglichkeiten aufführt. Er ähnelt in weiten Teilen dem Leitfaden aus den Niederlanden aus dem Jahr 2014. Die Niederländer haben schon damals auf frühzeitiges Monitoring der Raupen und auf die Förderung der natürlichen Fressfeinde, wie Vogelarten, gesetzt. Eine entsprechende Handhabung wäre für NRW wünschenswert.
Die derzeitigen naturschutzfachlich abzulehnenden Feldzüge gegen die EPS-Raupen zeigen aber, dass der Fokus der Bekämpfung in NRW weiterhin auf dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln liegt, und damit die Behörden wissentlich in Kauf nehmen, dass vielfältige Nebenwirkungen bei vielen anderen Insektenarten, Vögeln und Fledermäusen geschehen.
„In Zeiten, in denen wir alles tun müssen, um die Insektenvielfalt zu erhalten und Millionen Euro dafür bereitstellen zu erforschen, wie man das Insektensterben noch stoppen kann, gehen wir in NRW frevelhaft mit Pflanzenschutzmitteln um, die nicht nur viele Insekten töten, sondern damit auch die Nahrungsgrundlage für das aktuelle Brutgeschehen zahlreicher Gartenvögel und die zukünftige Nahrung von Fledermäusen zerstören“, sagt Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW. „Unter dem Strich: ein ökologisches Desaster.“
So liegen dem NABU Berichte vor, dass nach Einsatz der Biozide massenhaft grüne Raupen von den Bäumen gefallen seien. „Vermutlich handelt es sich hierbei um zigtausende Frostspanner- und andere Nachtfalterraupen“, so Karl-Heinz Jelinek, Sprecher des Landesfachausschusses Entomologie im NABU NRW. Insbesondere Frostspanner spielen eine wesentliche Rolle bei der Jungenaufzucht von Meisen. Denen werde damit massiv die Nahrungsgrundlage entzogen. Besonders kritisch sieht der NABU-Schmetterlingsexperte speziell die Testläufe mit Nematoden, da sie alle Insekten töten würden. Damit seien auch Insektenarten betroffen, die bei der Eindämmung des Eichenprozessionspinners hilfreich sein könnten.
Die Abwägung ökologischer Belange beim Einsatz von toxischen Pflanzenschutzmitteln müsse zukünftig in der Praxis deutlich stärker berücksichtigt werden. „Der NABU NRW setzt sich deshalb bei dem vorliegenden Problem dafür ein, dass die Exposition insbesondere allergiesensibler Bevölkerungsgruppen möglichst effektiv unterbunden wird und dennoch alle Glieder von Nahrungsketten geschützt werden“, so die NABU-Landesvorsitzende.
Auf der diesjährigen Tagung wurde der Verlust der Insektenvielfalt in unseren Wäldern thematisiert. Allein unseren Wäldern ist die Insektenmasse in den Jahren 2008 bis 2016 um 41 Prozent und die Vielfalt der Arten um 36 Prozent zurückgegangen. Mehr →
Der NABU verurteilt die flächige Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners aus der Luft. Die versprühten Insektizide wirken nicht so selektiv wie angenommen. Angesichts des überall feststellbaren Insektensterbens sei der Einsatz solcher Mittel unverantwortlich. Mehr →