Es gibt kein Patentrezept für Herdenschutz
Der NABU NRW fordert individuelle Konzepte für Weidetierhalter*innen
11. September 2020 -Die extensive Weidetierhaltung spielt für den Erhalt der heimischen Biodiversität eine große Rolle. Zum Teil lassen sich nur mit ihrer Hilfe wertvolle ökologische Flächen wie altes Grünland oder Magerrasen erhalten. Nicht zuletzt deshalb muss die Weidetierhaltung auch in NRW weiter bestehen können. Neben den ohnehin bereits vorhandenen strukturellen Problemen in diesem Bereich, kommt insbesondere für viele Schäfer*innen nun auch noch der Faktor des Herdenschutzes vor dem Wolf hinzu.
Effektiver Herdenschutz aber ist komplex. „Es gibt keine Patentlösung, die für jeden Nutztierhalter und in jeder Umgebung gleich gut geeignet wäre“, so Christian Chwallek, stellvertretender Landesvorsitzender des NABU. Vielmehr müssen die Maßnahmen, sei es Elektrozaun, Stall für die Nacht oder Herdenschutzhunde, der jeweiligen Situation und dem Betrieb angepasst werden. Dafür setzt sich der NABU NRW gemeinsam mit Schafzuchtverbänden schon seit Jahren ein.
Wünschenswert wäre die Übernahme von Folgekosten
„Es ist wichtig“, so Thomas Pusch, Sprecher des Landesfachausschusses Wolf, „dass auch Ausnahmeregelungen getroffen werden können. Kommt es in einem Wolfsgebiet beispielsweise zu durch den Wolf verursachten Rissen an einer Herde, deren Bestand durch den erhöhten Herdenschutz mittels eines Elektrozauns gesichert ist, sollten auch in dem Fall Herdenschutzhunde gefördert werden können, wenn die Tieranzahl 100 Individuen unterschreitet“. Genau eine solche Lösung wird, auch dank der Vorschläge des NABU, derzeit im Land NRW vorbereitet.
Wünschenswert wäre zudem die Übernahme der Folgekosten für Herdenschutzhunde, die die Weidetierhalter*innen bisher selbst tragen müssen. Auch die Förderung der Arbeitsleistung für das Umsetzen von Elektrozäunen oder den Bau von Festzäunen sollte zukünftig in Wolfsgebieten übernommen werden. Bisher werden über die „Förderrichtlinien Wolf“ des Landes NRW zwar Materialkosten mittlerweile zu 100 Prozent in den ausgewiesenen Wolfsgebieten und Pufferzonen finanziert, die zusätzlich anfallenden Arbeitsleistungen werden zurzeit nicht erstattet.
Ställe sind nicht immer die erste Wahl
„Grundsätzlich ist aus Sicht des NABU die nächtliche Einstallung von Weidetieren aber ein wirksames Mittel zum Schutz vor Wölfen oder auch Hunden. Gleichwohl ist sie nicht für alle Situationen und Betriebe realisierbar und auch nicht immer die beste Wahl,“ so Chwallek. Zwar bietet diese Form des Herdenschutzes oftmals Schafhaltern im Nebenerwerb mit wenigen Tieren klare Vorteile, da die Ställe und Weiden betriebsnah sind und das nächtliche Einstallen der Schafe einen verhältnismäßigen Aufwand bedeutet. „Dennoch kann es nicht das erste Mittel der Wahl sein“, so auch der NABU-Wolfsexperte Pusch weiter. Schafhalter, die vor allem im Landschaftsschutz tätig sind und viele Tiere auf großen Flächen halten, werden so vor zu große technische und finanzielle Herausforderungen gestellt.
Daher sei die Empörung des Schafzuchtverbandes Nordrhein-Westfalens durchaus verständlich, wenn pauschal eine Einstallung von Schafen gefordert wird. Das nächtliche Aufstallen von kleinen Schaf- und Ziegengruppen, die nicht durch Herdenschutzhunde geschützt werden können, müsse eine Ausnahme bleiben, auf die in den Wolfsgebieten nur dann zurückgegriffen wird, wenn kein anderes Mittel zum Schutz gegen den Wolf zum gewünschten Erfolg führt.
Gleichwohl ist es wichtig, auch in Wolfsgebieten weiterhin mit Besonnenheit zu agieren. So sind auch die derzeit aufkeimenden Gerüchte um durch Wölfin GW954f verursachte Rinderherdenausbrüche im Wolfsgebiet Schermbeck, dem sachlichen Umgang mit der Thematik nicht dienlich. „Hier müssen wir einfach die Untersuchungsergebnisse des LANUV, das für das Monitoring der Wölfe in NRW zuständig ist, abwarten“, erklärt Chwallek für den NABU NRW.
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