Mehr Ökologie für ein zukunftsfähiges NRW
7 Jahre rot-gruene Natur-und Umweltschutzpolitik - Bilanz und Ausblick
02. Mai 2017 - Die nordrhein-westfälischen Natur- und Umweltschutzverbände BUND, LNU und NABU forderten heute vor Pressevertretern in Düsseldorf eine Stärkung der ökologischen Belange durch die neue Landesregierung. Das Land brauche nicht weniger Umweltschutz und Bürgerbeteiligung, sondern mehr, um auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet zu sein. Jetzt gelte es, die begonnenen guten Initiativen der ablaufenden Legislaturperiode zu verstetigen und neue Impulse zu setzen.
Der rot-grünen Landesregierung stellten die Verbände ein durchwachsenes Zeugnis über die letzten fünf Jahre aus. Sehr vieles aus dem ambitionierten Koalitionsvertrag sei umgesetzt worden, wenn auch nicht immer konsequent. Als Beispiel dafür führten die Naturschützer das Landesnaturschutz-, das Landeswasser- und das Landesjagdgesetz an. Trotz heftigen politischen Gegenwinds habe Umweltminister Remmel diese Vorhaben umgesetzt und damit die Weichen für den besseren Schutz der Biodiversität gestellt. Enttäuscht zeigten sich BUND, LNU und NABU darüber, dass eine Trendumkehr beim Flächenverbrauch durch die Streichung des 5 Hektar-Ziels aus dem Landesentwicklungsplan verhindert wurde. Da hätten sich die kurzsichtigen wirtschaftlichen Interessen gegenüber einer zukunftsfähigen Entwicklung durchgesetzt.
Verpasste Chancen sehen die Umweltverbände auch beim Thema Verkehr. Mit dem Bundesverkehrswegeplan seien viele unsinnige Projekte im Eiltempo und ohne ernsthafte Alternativenprüfung durchgedrückt worden. Paradebeispiele dafür seien etwa die geplante Rheinquerung im Kölner Süden (A 553), die Eifelautobahn (A1) oder die Rheinvertiefung für die Binnenschifffahrt. Positiv bewerteten die Verbände hingegen die Verabschiedung des Landes-Klimaschutzgesetzes und des Klimaschutzplans. Damit existiere eine „Roadmap“ für das Kohleland NRW, an der nicht gerüttelt werden dürfe, wenn die Klimaschutzziele erreichbar bleiben sollen. Mit der beschlossenen Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler habe die Landesregierung ein wichtiges Signal gesetzt, auch wenn dies nicht ausreiche, die eigenen Vorgaben zu erfüllen. Auf der Habenseite verbuchen die Verbände auch das im Landesentwicklungsplan festgeschriebene Fracking-Verbot.
„Angesichts der globalen Herausforderungen des Klimaschutzes und des Artensterbens brauchen wir aber verstärkte politische Anstrengungen, das Begonnene zu verstetigen“, sagte der Landesvorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Holger Sticht. Mit den völkerrechtlich verbindlichen Abkommen wie dem Pariser Klimaschutzabkommen und den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals -SDGs) sei auch Nordrhein-Westfalen in der Verantwortung. „Anstatt wie von einigen irrlichternden Politikern gefordert das Klimaschutzgesetz abzuschaffen, müssen die Klimaschutzziele an das im Pariser Klimaabkommen angestrebte 1,5 Grad-Ziel angepasst werden. Dazu brauchen wir einen schnellen Kohleausstieg. Drei Viertel der in den genehmigten rheinischen Tagebauen liegenden Braunkohle muss im Boden bleiben, alle geplanten Umsiedlungen für den Klimakiller Kohle sind zu stoppen“, so Sticht.
Um den Schwund an biologischer Vielfalt zu beenden, halten die Naturschutzverbände eine Fortschreibung der Biodiversitätsstrategie für unerlässlich. Josef Tumbrinck, der Landesvorsitzende des Naturschutzbund Deutschland forderte, in der kommenden Legislaturperiode weitere Flächen mit öffentlichen Mitteln dauerhaft für den Naturschutz zu sichern. „Die zusätzliche Vernetzung der vorhandenen Schutzgebiete durch Korridore mit Naturschutzvorrangfunktion auf mindestens 15 Prozent der Landesfläche ist unerlässlich. Angesichts des dramatischen Insektensterbens muss es zudem gelingen, zumindest in den Naturschutzgebieten keine Pestizide mehr einzusetzen“, so Tumbrinck. Stattdessen müsse die Ausweitung der Bioanbaufläche in Schutzgebieten vorangetrieben werden. Dies sei für Artenvielfalt und Ökolandbau eine Win-Win-Situation. Den Vorwurf, dass Umweltvorschriften und klagende Umweltverbände Unternehmensansiedlungen verhindern würden, wies der NABU-Landeschef entschieden zurück: „Wir brauchen mehr Personal in den Genehmigungsbehörden; das würde zu einer echten Beschleunigung führen.“
Zur Stärkung des Umweltschutzes und zur Schaffung von mehr Transparenz bei unerlässlichen Infrastruktur- und Industrievorhaben fordern die Verbände eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit. “Von der Genehmigung von Windenergieanlagen bis zum Straßenbau brauchen wir eine bessere Einbindung der Bevölkerung“, sagte der Vorsitzende der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW, Mark vom Hofe. „Nur eine frühzeitige Beteiligung bei umfassender und ergebnisoffener Alternativenprüfung sichert die notwendige Akzeptanz.“ Um zügige und qualitativ hochwertige Genehmigungsverfahren zu gewährleisten müsse zudem mehr Personal bei den zuständigen Behörden bereitgestellt werden. „Die populistische Forderung nach weniger Bürokratie bringt da gar nichts“, so vom Hofe.
Beim Abgleich der Wahlprogramme aus der Perspektive des Natur- und Umweltschutzes sehen BUND, LNU und NABU noch „sehr viel Luft nach oben“. So würden etwa fast alle Parteien zur Energiewende stehen. Wenn dann aber gleichzeitig das Festhalten an den veralteten Kohlestrukturen gefordert werde, passe das nicht zusammen. Die häufig beschworene ökologisch-ökonomische Erneuerung des Landes dürfe jetzt nicht ausgebremst werden. Zwar habe sich die Zahl der Arbeitsplätze in der nordrhein-westfälischen Umweltwirtschaft seit 2012 um 8,5 Prozent von rund 320.000 auf fast 346.000 Arbeitsplätze im Jahr 2015 erhöht. Dieser Positivtrend sei jetzt aber in Gefahr. „Für ein zukunftsfähiges Nordrhein-Westfalen brauchen wir deshalb deutlich mehr Natur- und Umweltschutz im Regierungsprogramm“, so das Fazit der Verbände.
Seit 2010 hat NRW eine rot-grüne Landesregierung. Nun wird am 14. Mai ein neuer Landtag gewählt. Der richtige Zeitpunkt also, naturschutzpolitisch Bilanz zu ziehen und Perspektiven für eine zukünftige Natur- und Umweltschutzpolitik bei den Parteien abzufragen. Mehr →